Vom Leben auf der Strasse

Rund 10’000 Obdachlose leben laut Schätzungen auf den Strassen von Berlin, und das merkt man auch. Es vergeht kaum ein Tag, an dem man nicht in der U-Bahn von jemandem um eine kleine Spende gebeten wird. Doch wer sind diese Menschen und was musste passieren, dass sie auf der Strasse gelandet sind? Das wollte ich mit meinem Projekt herausfinden.

Wenn man aus einer eher ländlichen Region der Schweiz in eine Grossstadt wie Berlin zieht, ändert sich einiges. Der ÖV fährt alle fünf Minuten statt einmal die Stunde, der Döner kostet plötzlich nur noch 3.50 € anstatt CHF 10.- und jeden Tag läuft irgendwo eine Party. Was mich jedoch am meisten schockiert hat, sind die vielen Obdachlosen, die man trifft.

In Berlin gehört es zum Alltag, dass Leute in die U-Bahn oder S-Bahn einsteigen, sich kurz vorstellen, ein Gedicht oder ein Lied singen und dann um Geld betteln. Die meisten Leute sehen dabei nur ignorant weg oder halten sich gar die Nase zu. Nur wenige nehmen ihren Geldbeutel hervor und geben ein paar Cents. Dabei würde ein bisschen Kleingeld wohl kaum jemandem fehlen und für diese Menschen könnte es die einzige warme Mahlzeit am Tag bedeuten.

Was mich aber noch mehr stört, ist, dass diese Menschen fast komplett von unserer Gesellschaft ausgeschlossen werden. Niemand redet mit ihnen. Die meisten Leute drehen sich um oder schauen weg, wenn sich einer nähert. Auch Vorurteile bezüglich Alkohol und Drogen sind allgegenwärtig. Warum also nicht einmal diesen Menschen eine Stimme geben? Sie von ihren Geschichten erzählen lassen! Das habe ich mir mit meinem Projekt als Ziel gesetzt.

Mehr findet ihr auf dem Instagram Account!

(lhu)

Kritik
von Lukas Spichtig

Idee

Wie bereits erwähnt war ich schockiert wie präsent die Obdachlosigkeit hier in Berlin ist. Fast täglich kam ich ungewollt damit in Kontakt. Ich begann mir Fragen zu stellen. Warum leben diese Menschen auf der Strasse? Was hat dazu geführt? Wie kann man Ihnen helfen? Sind wirklich alle Alkohol- oder Drogenabhängig? Die einfachste Art das herauszufinden ist mit den Leuten zu reden.

Umsetzung

Meine Idee war es mit den Menschen ein Interview zu führen und Portraitfotos zu machen. Ich habe dann mit verschieden Formaten gespielt. Die Fotos sollten zwar die Aufmerksamkeit generieren, eigentlich ging es mir jedoch um die Geschichten der Menschen. Anfangs hatte ich die Interviews aufgenommen und dann in Text umgewandelt. Dabei ist mir aber aufgefallen, dass schon nur das transkribieren kaum möglich ist, ohne eine subjektive Haltung einzubringen. Mein Ziel war es jedoch die Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Also habe ich angefangen die Tonspuren der Interviews zu schneiden und dann über die Fotos zu legen. Dies wirkt meiner Meinung nach viel intimer und interessanter, als die Geschichten in Textform. Als nächstes habe ich dann auch ein Video ausprobiert. Es gefällt mir grundsätzlich gut, ist jedoch um einiges aufwändiger als die Fotos.

Ich hatte das Glück, dass ich nach einiger Zeit noch andere Studenten kennengelernt habe, die ein ähnliches Projekt machen. So konnten wir uns zusammenschliessen und etwas grösseres auf die Beine stellen. Wir haben an unserer Uni und um Internet sowohl Kleider als auch Geld gesammelt und haben damit Weihnachtsgeschenke für Obdachlose zusammengestellt. Diese Aktion habe dann auch filmisch Dokumentiert und bereits einen Trailer dazu geschnitten.

Fazit

Gerade am Anfang hat es ziemlich viel Mut gebraucht obdachlose Menschen anzusprechen. Man kennt ja die Vorurteile, dass die alle besoffen oder auf Drogen sind und recht schnell aggressiv werden können. Hat man dies aber einmal überwunden merkt man was für wunderbare Menschen das eigentlich sind. Klar wurde ich oft auch abgewiesen, weil viele nicht aufgenommen werden wollen oder sonst keine Lust haben. Die meisten aber waren froh, dass sie einmal mit jemand anderem reden und mir von ihrem Leben erzählen konnten.

Ich denke ich habe auch viel selber dabei gelernt. Gerade in Sachen Interviewtechnik hat es mit sicher geholfen. Hatte ich doch anfangs noch Respekt Themen wie Drogen anzusprechen, kann ich mittlerweile sehr gut abschätzen, wann so eine Frage angebracht ist. Auch die situativen Portraits sind von Mal zu Mal besser geworden. Alles in allem würde ich sagen ist es echt ein gelungenes Projekt. Ich werde in den nächsten Wochen sicher noch einige Interviews führen, die schaffen es dann aber leider nicht mehr in den Digezz-Beitrag.

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