Was mir auf die Eierstöcke geht

Ich sei ein Spezialfall, sagte man mir in der ersten, sogenannten “Kinderwunschsprechstunde” in der Poliklinik des Frauenspitals Basel.

Im Wartebereich des Q-Trakts sehe ich die unterschiedlichsten Menschen. Fast nur Paare, viele asiatischer und arabischer Herkunft. Ich bin meist die einzige, die alleine wartet. Und bei weitem die jüngste. Die Stimmung ist seltsam, ich empfinde sie immer als sehr angespannt. Verständlich, wenn der Kinderwunsch vielleicht schon seit Jahren nicht in Erfüllung geht. Das muss schlimm sein. Oft frage ich mich dann, wer von uns in der schlimmeren Situation ist. Ich oder sie? Ich will Kinder, aber nicht jetzt. Später in ferner Zukunft, die ich jetzt eigentlich noch nicht planen möchte. Trotzdem muss mich jetzt schon ganz konkret damit auseinandersetzen, dass ich vielleicht nie auf natürlichem Weg schwanger werden kann.

Im Februar 2013 machte sich eine seltsame Beule auf der linken Seite meines Bauchs bemerkbar. Nachdem ich mir zuerst noch einige Wochen einredete, dass das alles nicht so schlimm sei und wohl bald von selbst verschwinden würde, ging ich dann doch irgendwann zum Arzt. Dieser erkannte im Ultraschall eine grosse Zyste im Eierstock. Ich war erleichtert, weil ich mich in der Zwischenzeit ein bisschen reingesteigert hatte und irgendwann sicher war, das da ein Tumor in mir wuchert. Es folgte die Operation, man entfernte die gutartige, babykopfgrosse und 1.2 Kilogramm schwere Zyste – und mit ihr den ganzen linken Eierstock, wie ich danach erfuhr. Mit nur einem Eierstock ändert sich nichts, der Hormonhaushalt bleibt im Lot, der Zyklus ganz normal. Also eigentlich kein Problem. Schon bei der Nachkontrolle, etwa zwei Monate nach der Operation, entdeckte man dann allerdings im verbleibenden Eierstock erneut eine Zyste. Und diese ist bis heute fröhlich vor sich hingewachsen und mittlerweile so gross, dass man auch ihr den Garaus machen will.

In der Schweiz boomt die Reproduktionsmedizin. Wurden 2002 noch 3467 Frauen entsprechend behandelt, waren es zehn Jahre später schon 6321. Quelle: BFS

Die Zunahme sei vor allem altersbedingt, da sich der Termin für das erste Kind aufgrund längerer Ausbildungszeiten verzögere, schreibt die NZZ.

Da mir niemand sagen kann, was bei der Operation mit meiner verbleibenden Hälfte Erbmaterial geschieht, habe ich mich entschlossen profilaktisch vorzusorgen. Jeden Abend um 17:30h gibt’s deshalb eine Spritze mit dem Medikament Merional, das dafür sorgt, dass möglichst viele Eizellen heranreifen. Nach sieben bis zehn Tagen kommt eine zweite Spritze hinzu, die wiederum verhindert, dass der Eisprung vorzeitig stattfinden kann. Nach etwa 12 Tagen verabreiche ich mir dann schliesslich eine dritte Spritze, und genau 42 Stunden nach dieser Injektion findet die Punktion statt. Dabei werden die herangezüchteten Eizellen aus dem Körper geholt und eingefroren.

merional spritze

Meine Eizellen werden fünf Jahre aufbewahrt, danach muss ich einen Antrag stellen, damit mein Erbgut nicht vernichtet wird. Natürlich könne ich auch erst in zehn Jahren mit der In-Vitro-Befruchtung beginnen, länger solle ich aber nicht warten, sagte mir eine der behandelnden Ärztinnen und Ärzte.

Das sich bis dahin die Bedingungen für die künstliche Befruchtung in der Schweiz geändert haben, bleibt zu hoffen.

Noch ist beispielsweise die Ei- und Embryonenspende gemäss Fortpflanzungsmedizingesetz (kurz FMedG) verboten, genauso wie die Leihmutterschaft. Das Verfahren der Präimplantationsdiagnostik, das die genetischen Untersuchung von Embryonen bei der In-Vitra-Befruchtung erlaubt, wurde nach der Volksabstimmung vom 14. Juni 2015 verfassungsrechtlich geregelt.

Kritik
von Simone Janz

Idee

Natürlich habe ich mir im Verlaufe meiner Behandlung sehr viele Gedanken gemacht. Durch Gespräche mit den Ärzten und dem Aufschnappen von Gesprächsfetzen von Paaren im Wartebereich, hatte ich einen tieferen Einblick in die Thematik, als ein Aussenstehender vermutlich haben kann.

Umsetzung

Aufgrund meines persönlichen Interesses und Involviertseins fiel es mir nicht allzu schwer, den Text zu verfassen und ich war sogar froh, mir alles von der Seele schreiben zu können. Schwieriger fand ich es allerdings, dass der Beitrag nicht zu einem Möchtegern-Vice-Erfahrungsbericht mutiert. Ich wollte so sachlich wie möglich und mit ein wenig Witz eine Geschichte erzählen.

Die Fotos habe ich im fortlaufend mit meinem iPhone 6 gemacht, aufwändiges Equipment war nicht notwendig. Leider war es mir nicht möglich, in der Klinik selbst zu filmen oder fotografieren. Eine der Ärztinnen habe ich für ein kurzes Interview angefragt, aus zeitlichen Gründen sagte sie ab. Da ich dadurch, ausser einigen Fotos, kein visuelles Material zur Verfügung hatte, entschloss ich mich gegen die Publikation auf einer Webseite. Durch info.gram konnte ich noch einige Fakten visualisieren, die mir wichtig erschienen.

Kritik

Im Nachhinein wäre es mir noch wichtig gewesen, die ganzen ethischen Aspekte anzusprechen. Inwiefern darf der Mensch in den Fortpflanzungsprozess aktiv eingreifen?  Oder auch die Geschichte eines Paares, das schon lange vergeblich auf ein Kind wartet, wäre spannend gewesen. Ganz grundsätzlich hätte man sich fragen können, ob ein "Recht auf Kinder" bestehen sollte und wie das aussehen könnte. Alle diese spannenden Themen hätten aber den zeitlichen Rahmen dieses Beitrages gesprengt.

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