Wintersporttag für Flüchtlinge

Wintersport ist Teil der Schweizer Kultur und verbindet auf sportliche Art Tradition und Werte – der ideale Integrationshelfer, also! Dies dachten sich auch zwei Studentinnen aus dem Studiengang Soziale Arbeit an der Hochschule Luzern und ermöglichten rund 20 Flüchtlingen einen Tag im Schnee.

Ich weiss noch nicht, ob ich mich getraue», meint Cabran in gebrochenem Deutsch auf die Frage, ob er heute Skifahren will. Sein Kumpel Hassan, welchen er aus dem Deutschkurs kennt, klopft ihm auf die Schulter und sagt euphorisch: «Doch Cabran, wir können das, das ist einfach!» Im Kleinbus bricht misstrauisches Gelächter aus und die Unterhaltung wird fortan in einer Fremdsprache weitergeführt. Cabran und Hassan sind zwei geflüchtete Afghanen und Teil der 20-köpfigen Ausflugsgruppe, welche an diesem Tag zum ersten Mal in einen Wintersportort fahren und erste Erfahrungen im Schnee sammeln. Jeder einzelne Teilnehmer ist in der Schweiz als Flüchtling anerkannt und allesamt kommen sie aus den verschiedensten Regionen dieser Welt, mit den unterschiedlichsten Hintergrundgeschichten. Grossartig sind demnach die Reaktionen, als der Mini-Bus auf der verschneiten Lenzerheide ankommt und kollektives Staunen ausbricht, über die eindrücklichen Schneewände neben dem Eingang der Rothornbahn. Es sollten nicht die letzten grossen Augen sein an diesem Tag.

Private Spenden und Crowdfunding
Die Idee eines Wintersporttages für Flüchtlinge hatten Simona Kobel und Sylvia Kaholi, beides Studentinnen an der Hochschule Luzern im Studiengang Soziale Arbeit. «Im Rahmen eines Semesterprojektes, wollten wir Menschen, welche keine Mittel zur Verfügung haben und keine leichte Vergangenheit haben, ein unvergessliches Erlebnis ermöglichen», sagt Simona. Der ganze Tag ist demnach kostenlos für jeden Teilnehmer und durch Crowdfunding und private Spenden finanziert worden. Sie seien überwältigt gewesen von der Unterstützung und Hilfe, welche sie von überall her erhalten hatten, fügt Sylvia an. So wurden den beiden Studentinnen Transportmittel, Skiausrüstung sowie Tageskarten gespendet und sogar das Mittagessen im Valbella Inn Resort kostenlos angeboten. «Ohne diese Grosszügigkeiten wäre dieser Tag nicht zustande gekommen, wir sind enorm dankbar für jede kleinste Spende, welche getätigt worden war», betonen sie. Das Lachen in den Gesichtern und die pure Freude der Teilnehmer seien es Wert gewesen, sich für ein so tolles Projekt einzusetzen. Gerne hätten sie noch mehr Leuten eine solche Freude bereitet, aber sie mussten dem Projekt eine verantwortbare Grenze setzen, damit organisatorisch alles sicher und reibungslos ablaufen konnte. «Deshalb beschränkten wir uns bei der Suche nach Teilnehmern auf eine Sprachschule, in welcher Deutschklassen für Flüchtlinge angeboten werden», so Simona. Viele der Flüchtlinge seien zu Beginn misstrauisch gewesen, wegen des kostenlosen Angebots. Umso mehr freuten sich die zwei Studentinnen, als sie dann mit rund 20 Anmeldungen beginnen konnten, den Ausflug zu planen.

Vom Schlitten ins Restaurant
«Ist das richtig so», fragt Begüm in die Runde und hantiert an ihrem Helm herum. Die Skibrille ist sichtbar verkehrt angebracht. Sofort eilen andere Teilnehmer zu Hilfe und gemeinsam finden sie heraus, wie die Brille richtig am Helm befestigt wird. Die Gruppe steht mit ihren gemieteten Schlitten bereit, um mit der Gondel zum Start der Schlittenpiste gefahren zu werden. Es ist von blossem Auge erkennbar, dass vieles Neuland ist für diese jungen Leute. Die kleinsten Dinge, wie ein Drehkreuz, werden zur Herausforderung und Einsteigen in eine Gondel bringt durchaus seine Tücken mit sich. Genauso Überwindung braucht es dann für die erste Abfahrt. Einige gehen es langsam an und bleiben beim gemütlichen Schlitteln, andere steigern sich anschliessend furchtlos in das neue Abenteuer und rasen mit deutlich hörbarer Freude den Berg hinunter. Der Morgen vergeht wie im Flug und man findet sich pünktlich um 12 Uhr an einem liebevoll gedeckten Tisch im Valbella Inn Resort wieder. Ein grosszügiger 3-Gänger mit Salat, Pasta und Apfelstrudel wird serviert und man tauscht sich nebenbei über die Schlittel-Erlebnisse aus. Vor allem beim Dessert machen einige grosse Augen, da ihnen nie zuvor ein Apfelstrudel aufgetischt wurde. Die durchs Band leeren Teller zeugen aber von der neu gewonnenen Beliebtheit des süssen Apfelgerichts.

Das erste Mal auf Ski
Mit vollen Bäuchen folgt das Highlight des Tages – Skifahren! Doch bevor es auf die Ski geht, folgt ein Ausrüstungsmarathon, damit auch jeder Teilnehmer passende Schuhe, Stöcke und Bretter erhält. Der Weg von Skiverleih bis zum Übungshang bringt dann bereits die ersten Schwierigkeiten ans Licht. «Wie trägt man diese Skis richtig? Wie läuft man mit Skischuhen? Für was sind diese Stöcke genau», um nur einige Fragen zu nennen. Doch zum Glück sind immer Helfer zur Stelle, welche sofort aufklären und Instruktionen geben. Jedoch war dies nur der Vorgeschmack auf alles, was auf der Piste noch kommen sollte. Man stelle sich vor, noch nie Schnee gesehen zu haben, noch nie einen Skischuh am Fuss gehabt zu haben, noch nie in irgendeiner Art einen Berg hinunter gefahren zu sein, und dann wird man auf Skis gestellt und darf erste Versuche wagen. Die Bilder sind dementsprechend amüsant, aber stets geprägt von unendlicher Freude an den kleinsten Fortschritten und Erlebnissen. Bei einigen funktioniert es nach kurzer Anlaufzeit ziemlich gut und andere beissen sich nur schon beim Einsteigen in die Bindung die Zähne aus. Doch es wird einander geholfen und durch kleine, gezielte Tipps dürfen auch die weniger Begabten beachtliche Erfolge feiern. Es war wunderbar zu sehen, mit welcher Hingabe, Hilfsbereitschaft und Freude dieser Nachmittag vonstatten ging und er wird wohl so manchem für immer in Erinnerung bleiben.

Dankbarkeit
Die gewonnenen Eindrücke und neuen Erlebnisse mussten wohl irgendwie verarbeitet werden, was die gähnende Stille auf der Heimfahrt erklärte. Schlafgeräusche füllten den Mini-Bus auf dem Weg zurück nach Zürich. Der Ausflug neigte sich langsam dem Ende zu und mit Gesten von grenzenloser Dankbarkeit verabschiedete man sich und tauschte seine Kontakte aus. Ein gelungener Tag mit übertroffener Erwartungshaltung und einem erreichten Ziel: Anderen, welche nicht viel besitzen, eine Freude machen und etwas ermöglichen, was sonst nicht möglich gewesen wäre.

(lhu)

Kritik
von Fabio Kobel

Die Idee

Als mir meine Schwester von ihrem Projekt erzählte, bot ich ihr an, das Projekt filmisch zu begleiten und einen kleinen Bericht darüber zu schreiben. Quasi als Herausforderung und Training für mich und meine Skills. So überlegte ich mir, wie man einen solchen Tag für einen kleinen Artikel, inklusive Video am besten zusammenfassen konnte. Damit Emotionen und Dankbarkeit gut zum Tragen kommen, plante ich Interviews, B-Rolls sowie Aktivitäts-Sequenzen ein. Also schrieb ich mir einzelne Aufnahmen, welche ich mir im Video vorstellen konnte auf meine Shotlist. Aber ich wusste im Vornherein natürlich noch nicht, zu was genau die einzelnen Videosequenzen führen können.

Die Umsetzung

Im Vornherein gab es einige Dinge abzuklären. Wollen die Teilnehmer überhaupt gefilmt werden? Wer möchte sich für ein Interview zur Verfügung stellen? Wie ist das Wetter an diesem Tag und wie funktioniert das mit der Technik? Darf ich meine Drohne in der Lenzerheide steigen lassen? Alles kleine Sachen, welche sich jedoch summierten. Einen Videobeitrag in einem Skigebiet zu erstellen war ohnehine eine neue Erfahrung und brachte so seine Tücken mit sich. Ein Rucksack voller Technik, eine Kamera und eine Stativ auf einem Schlitten, funktioniert nur bedingt gut. Also musste ich einen Ort suchen, wo mein Material sicher gelagert werden konnte und ich mir jederzeit herausnehmen konnte, was ich für die nächste Aufnahme brauchte. Die Betreiber der Rothornbahn kamen mir entgegen und ich durfte im Kontrollraum meine Technik platzieren.

Mit dem Ziel, am Ende des Tages gutes Videomaterial beisammen zu haben, macht den Aufenthalt in einem Skigebiet nicht unbedingt zum Vergnügen. Der Tag wird vor allem geprägt durch Vorausrennen, um den Shot zu kriegen oder stets die Augen offenzuhalten um keinen wichtigen Moment zu verpassen. Alleine fast ein Ding der Unmöglichkeit aber irgendwie bringt mans hin,  jedoch mit gewissen Abstrichen.

Das Material

  • Canon C100
  • Canon Objektiv 24-105mm 4f
  • Canon Objektiv 50mm 1.4f
  • Manfrotto Videostativ
  • NTG 2 Mikrofon on Camera
  • Dji Mavic Pro
  • Zoom H6

Mein Fazit

Mit dem Endprodukt bin ich zufrieden, sehe aber einiges Verbesserungspotential im Ton. Nach 10h in einem Skigebiet, geprägt von Herumrennen und Filmen, wird man müde und man vergisst dann schon mal zu pegeln. Jedoch war es die Erfahrung als Gesamtes wert. Nicht nur das Filmen, auch der Kontakt mit den Teilnehmern. Für ein nächstes Mal würde ich nicht mehr die grosse C100 mit auf die Skis mitnehmen, da doch einiges an Gewicht zusammen kommt. Und eventuell wäre ein Partner hilfreich, der assistieren kann und zusätzliche Aufnahmen aus anderen Blickwinkeln aufnimmt oder beim Materialtransport mitanpackt.

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