Spätestens nach «Birdman» und «Victoria» haben Filmemacher bewiesen, dass «thinking out of the box» auch in den grossen Kinos und in Hollywood ankommt. Ausgestattet mit dem DJI Ronin haben wir einen «One-Take» gedreht.

Was ist ein One-Take?
engl. manchmal: one take, one-take movie; gelegentlich auch – mit Bezug auf den ausbleibenden Schnitt: cut cut; auch: single-shot film, single-shot technique

Der wohl erste und bekannteste One-Take-Movie ist Alfred Hitchcocks Rope (USA 1948), in dem technisch notwendige Schnitte meist verdeckt sind. Mit der heutigen Videotechnik ist es möglich, sehr viel längere Szenen durchgängig aufzunehmen.

Was könnte hier passiert sein?

Was hinter der Kamera passiert und wie viel Aufwand selbst eine kurze Szene machen kann, seht ihr im Making-Of.

(le)

Kritik
von Adriana Tomaschett, Allan Bachmann, Bianca Meyer, Damian Schurtenberger, Fabian Rütsche, Fabian Rymann, Gregor Juon, Jeremy Marugan, Marc Wiedmann, Monica Oliveira, Olivia Kasper, Sarah Bollmann, Sina Cadonau, Stephanie Künzler und Tobias Luchsinger

Die Planung ist der Schlüssel zum Erfolg
Das Semester hat gerade erst begonnen, als die Idee entstand, einen "Onetake" zu drehen. Mit dem elektronischen Bildstabilisator "DJI Ronin" sollte für uns Studenten ein Projekt entstehen, bei dem wir auf allen Ebenen gefordert sind.

Wir haben relativ schnell festgestellt, dass die Planung das A und O für unser Projekt bedeutet. Die Ansprüche eines "normalen" Filmdrehs sind schon so hoch genug und es muss an viele Details gedacht werden, doch bei einem "Onetake" kommen Faktoren hinzu, die einem das Leben noch schwerer machen.

Angefangen bei der Konzeption einer Story, dem Finden einer passenden Location, mehreren Tagen Planung, vielen Durchgängen, bis hin zur Organisation von knapp 15 Personen und dem kalten Bündner Wetter war für uns alles dabei.

Wie findet man eine Story für einen Onetake?
Nachdem wir eigenständig kleine Storyideen erstellt hatten, haben wir uns im ersten Meeting darauf konzentriert, die gefundenen Themenfelder einzugrenzen. Bei einer Gruppe von 6 Personen die für die Storyfindung eingeteilt war gestalten sich die Diskussionen jedoch nicht immer einfach. Schwierig war hierbei, einen gemeinsamen Nenner zu finden, mit dem alle zufrieden sind. Es kam uns nicht darauf an, die "Big Story" zu finden, sondern vielmehr eine Geschichte zu entwickeln, die mit einem "Onetake" funktioniert. Leichter gesagt als getan. Schnell ist uns bewusst geworden, wie viele Stolpersteine dabei existieren.

Ein "Frage-Antwortspiel" hat uns hierbei sehr geholfen, die Lücken in der Geschichte zu finden.

Verschiedene Zeitachsen? Das geht nicht ohne Schnitt!
Verschiedene Locations? Dann wird der Film zu lang!
Exposition mit mehreren Charakteren? Organisatorisches Chaos!
Das schneiden wir einfach weg! Oh, Moment....

Da uns im Projekt eine schöne und kreative Kameraführung wichtig war, konnten wir manche Ideen noch nicht gleich zu Papier bringen. Übergänge von einem Raum in den nächsten oder von Aussen nach Innen, konnten wir erst nach dem Besichtigen einer Location einbauen.

Wie findet man die passende Location?
Für die Location haben wir mehre Besichtigungen bei Betrieben im Umland von Chur eingeplant. Nachdem wir vor Ort waren und mit den Besitzern gesprochen haben ist uns schmerzlich bewusst geworden, dass Locationscouting sehr schwer werden kann. Im Vorfeld möchte man bei der Entwicklung der Story möglichst viele coole und einzigartige Shots einbauen. Die Gedanken schweifen schnell ab und man findet Dinge, die vor Ort dann wieder ganz anders aussehen, als man sich es vorgestellt hat.

Zusätzlich sind die Besitzer der Locations nicht unbedingt mit filmischen Vorwissen ausgestattet. "Einen Film drehen" wird da schnell als zwei bis drei Stunden Aufwand angesehen. Für unser Projekt war jedoch wichtig, einen Platz zu haben, an dem wir ungestört und frei arbeiten können.

Da die Story zwar geplant, der Ablauf der Szene aber noch nicht klar war, bot sich eine verlassene Location an. Wir haben uns deshalb für die alte "Alte Textilfabrik Stoffel AG" in Mels, an der Grenze zu Graubünden entschieden. "Uptown Mels" ist ein Projekt, das die aus dem 19. Jahrhundert stammenden Fabrikgebäude zu einem grossen Wohnpark machen soll.

Wegfindung für die Kamera

Nach einer kurzen Vorstellung bei den zuständigen Personen konnten wir nach Herzenslust besichtigen, fotografieren, planen und umsetzen.

Organisation
Da in diesem Projekt 15 Personen beteiligt waren, spielte die Organisation eine übergeordnete Rolle. Die grobe Gruppeneinteilung des Projektes wurde in Storyfindung, Locationsuche, Regie und Leitung, Technik und Transport, Audio, Kameraführung und -steuerung, Catering und Verpflegung, Schauspielersuche und -betreuung, Requisiten und Finanzen aufgeteilt.

Somit konnte jedes Teammitglied seine besprochenen Aufgaben eigenständig bis zum geforderten Datum erledigen. Falls es Probleme gab, konnte man sich auch leicht gegenseitig helfen. Allgemein lässt sich sagen, dass die Verlässlichkeit der Teammitglieder ein grosser Pluspunkt sein kann. In unserem Fall traf das voll und ganz zu und hat uns die Arbeit leichter gemacht.

Die Kommunikation innerhalb der Gruppe wurde auf der Messengerplattform "WhatsApp" geführt. Hierdurch konnten wir stets in Verbindung bleiben, kleinere Probleme oder organisatorische Fragen wurden schnell und effektiv beantwortet. Auch auf dem Set konnten wir schnell besprechen, wann alle Personen ankommen oder ob noch etwas fehlt.

Bei unserem Projekt war es uns wichtig, den Überblick über die laufenden Ausgaben nicht zu verlieren. Mit einem Fuhrpark von zwei bis drei Autos, mehreren Drehtagen und gemietetem Equipment gibt es schnell grössere Kostensstellen. Wir haben uns darauf geeinigt, dass alle Teammitglieder den gleichen Betrag beisteuern sollten. Da wir eine Gruppe für die Finanzen eingeteilt hatten, war es ein leichtes die Kostenpunkte am Ende abzurechnen und auf das Team aufzuteilen.

Die endgültigen Kosten beliefen sich auf CHF 604,25.

Am Ende eines jeden Tages haben wir eine Fazitrunde eingebaut, jeder aus der Gruppe konnte ein kurzes Feedback zum Tag abgeben. Einerseits konnten wir somit direkt ein Gefühl für die erledigte Arbeit am Tag bekommen und andererseits endete die Fazitrunde meistens in einer sehr aufschlussreichen Diskussionsrunde.

Technik

Mainkamera

  • C100 Set
  • DJI Ronin
  • Canon 16-35mm f 2.8
  • CMR Radian Pro Videofunkstrecke
  • Ultralight HDMI Kabel

Behind the Scenes

  • 2x 5D Mark III mit Canon 24-105mm f4
  • 2x LCD Monitor + HDMI Kabel
  • 2x Rode VideoMic
  • Manfrotto Tripod
  • Manfrotto Einbein
  • Schulterstativ FieldRunner
  • GoPro Hero 4 Set

Audio

  • Richtmikrofon Sennheiser MKH416
  • Windschutz
  • XLR m – XLR f Kabel
  • Tonangel
  • Audiorecorder Zoom H6
  • Kopfhörer

Licht

  • Coda 500/1Litepanels
  • Sola Lichtkoffer
  • 2x LED Panel LedGo
  • LED Headlight Cineroid
  • 3x Faltreflektor
  • 3x Lichtstativ
  • 2x Styro Set mit Stativ

weiteres

  • Ersatzakkus und SD Karten
  • Strom Kabelrolle
  • 2x Strom Steckleiste
  • 2x Stromgenerator
  • Gaffa Tape
  • 4x Manfrotto Superclamp
  • 4x Walkie-Talkie Motorola GP344

Die Ronin
Da die "DJI Ronin" viele Einstellungen zulässt, mussten wir uns im Vorfeld erst damit beschäftigen. Es gab zwar einen Workshop, der am Anfang vom Semester stattfand, aber in 15 Minuten sieht man halt auch nur so viel, wie man in 15 Minuten sehen kann. Aus diesem Grund war es notwendig, Tutorials und Anleitungen zu studieren, anschliessend alles einzustellen und einfach mal auszuprobieren. Wir mussten Festestellen, dass es für jede Situation, die mit der Ronin gefilmt wird, eine eigene Einstellung am Gerät gibt. Dadurch mussten wir einen Mittelweg finden, der in schnellen wie auch langsamen Szenen funktioniert. Generell lässt sich sagen, dass man die Ronin immer vor dem Filmtag einstellen und aufbereiten sollte, der Zeitaufwand am Set ist dafür viel zu hoch.

Da der Kameramann die Ronin nicht selber steuern konnte, war es notwendig, dass zwei andere Personen diese Aufgabe übernahmen. Mit einem Funkbildschirm und einer Fernsteuerung ausgestattet mussten sie immer mit der DJI Ronin schritt halten. Dadurch konnten wir sicherstellen, dass durch die Cadrage, die optischen Bildschwerpunkte richtig gesetzt wurden und der Fokus immer auf dem relevanten Objekt lag.

Audio
Wir haben bewusst auf O-Ton verzichtet, da die DJI Ronin mit einer C100, einem Funkapparat und mehreren Akkus bereits voll beladen war. Ein zusätzliches Mikrofon konnten wir deshalb nicht anbringen.

Aus diesem Grund haben wir uns darauf geeinigt, mit einem Sounddesign zu arbeiten. Das Audioteam war dafür verantwortlich, Referenztöne vor Ort aufzunehmen, die wir später in der Postproduction unter die Videoaufnahmen legen konnten. Hierdurch wirkt das finale Produkt deutlich authentischer und näher am Geschehen.

Das Sounddesign sollte passend zur Story einen melancholischen Charakter erhalten und die bewusst ruhigen Szenen untermalen.

Rehearsal und finale Shots
Einen Tag vor dem eigentlichen Dreh haben wir an der Location einen Probetag durchgeführt. Während der Besichtigung am Morgen wurde der Weg für die Protagonisten im Film festgelegt. Somit konnte jede Gruppe an einer eigenen Station den Ablauf für den finalen Dreh üben.

Stationen für den Ablauf

Nach unzähligen Versuchen haben wir uns dann das erste mal daran gewagt, einen kompletten Versuch zu starten. Da an diesem Tag keine Schauspieler vor Ort waren, konnten wir uns voll und ganz auf den technischen Ablauf des Drehs fokussieren. Somit konnten wir Fehler korrigieren, die uns am eigentlichen Drehtag Zeit gekostet hätten. Nach dem ersten Dreh haben wir zum Beispiel bemerkt, dass im Hintergrund Teammitglieder zu sehen waren, die sich auf dem Weg zu einer späteren Station befanden.

Im Weiteren konnten die Kameramänner und -frauen den Umgang mit der Ronin üben und das Zusammenspiel mit dem restlichen Team koordinieren. An der letzten Station mussten wir beispielsweise die Kamera so führen, dass im Verborgenen bereitstehende Requisiten für die darauffolgende Einstellung platziert werden konnten.

Ohne diesen Probetag wäre wahrscheinlich nicht genügend Zeit gewesen, den Film nach unseren Ansprüchen zu drehen. Nach gut 10 Durchläufen hatten wir das Gefühl für den eigentlichen Drehtag gewappnet zu sein.

Es ist soweit!
Nach der ganzen Vorbereitung war dann der Drehtag endlich da und alle Beteiligten waren rechtzeitig um 09:00 Uhr am Drehort. Nach einer kurzen Einführung für die Schauspieler, bei der wir ihnen den gesamten Weg durch die Location gezeigt haben, konnte der Dreh beginnen.

Nach jeweils zwei Durchgängen haben wir uns gemeinsam das Videomaterial angeschaut, um Probleme zu beseitigen. Als wir dann um 19:00 nach über einem Dutzend Durchgängen erschöpft den Tag beendet haben, dachten wir, der Grossteil der Arbeit wäre getan. Einige Wochen später hat jeder des Teams über eine Doodle-Umfrage seinen Favoriten aus einer Selektion der vier besten Versionen ausgewählt.

Mit der finalen Fassung ging es dann an die Postproduction. Trotz der Tatsache, dass es bei einem One-Take nichts zu schneiden gibt, mussten wir noch sehr viel Arbeit investieren bis das finale Produkt fertiggestellt war. Die einzelnen Punkte der Postproduction würden jedoch den Rahmen dieses Kritiktextes sprengen.

Was man besser machen kann

  • Licht
    Da die Durchgänge am Anfang des Tages noch holprig abliefen, haben sich die guten Aufnahmen auf den Nachmittag verschoben. Da die alten Fabrikhallen extrem dreckige Fenster hatten fehlte uns an manchen Stellen dann leider das Licht. Wir hätten nicht damit gerechnet, so viel Fläche ausleuchten zu müssen. Das nächste mal definiv mehr und stärkeres Licht.
  • Drehtage
    Das Problem mit dem Licht hätte sich auch schnell mit einem weiteren Drehtag erledigt. Doch für ein Projekt dieser Grösse verschlingt das viel Zeit und Ressourcen. Für ein studentisches Projekt haben uns die zwei Tage voll gereicht, da wir ja auch nicht unendlich lange im Unterricht fehlen können. Dennoch hätte ein weiterer Drehtag auch dafür gesorgt, dass wir eine Nacht über alles hätten schlafen können.
  • Funkverbindung
    Wir wussten bereits vor dem Dreh, dass wir die Ronin mit einer Kamera und einem Bildschirm steuern müssen. Doch haben wir dabei nicht an die mit Stahl durchzogenen dicken Betonwände gedacht. An manchen Stellen ist die Funkverbindung zum Bildschirm abgebrochen und der Kameramann war für eine kurze Zeit im Blindflug. Das nächste mal unbedingt eine leistungsstarke Funkverbindung verwenden
  • Abschlussarbeiten
    Wir haben bereits vor einiger Zeit geplant den Beitrag auf Digezz zu veröffentlichen, die Postproduction hat sich jedoch in die Länge gezogen. Hier sollte man das nächste mal unbedingt näher am Ball bleiben.

Während dem ganzen Projekt haben wir durch die Feedbackrunden immer versucht unsere eigene Leistung zu bewerten. Man könnte das einen gewissen Leistungsdruck nennen, der uns allen anhaftet. Doch ab und an darf man auch einfach das Gefühl geniessen, etwas gemacht zu haben auf das man Stolz sein kann, auch wenn es kleine Ecken und Kanten hat.

Im Gesamten sind wir extrem glücklich über dieses Projekt. Nach dem ersten Drehtag hat sich ein Teamgeist gebildet, den man nur schwer in Worte fassen kann. Wir waren eine Einheit die nur dann gewinnen konnte, wenn alle miteinander gearbeitet haben. Ob dann an der einen Stelle die Kamera nicht ganz im Fokus steht, oder das Licht nicht ausgereicht hat, stört dann ganz schnell nicht mehr. Dennoch haben wir Lektionen für die nächsten Projekte mitgenommen.

Danke an alle die dabei waren, es war der Hammer!

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