Zigeunerleben light

Das Studentenleben kann ganz schön hektisch sein. Nach den Semesterprüfungen wünscht man sich meist nichts mehr, als den Kopf so wenig wie möglich zu strapazieren und den Alltag erheblich zu entschleunigen. So ging es auch uns diesen Sommer. Durch einen Zufall stiessen wir dann auf eine eher ungewöhnliche Reise, die unseren Sommer prägen sollte..

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Für eine Woche mieteten wir einen waschechten Zigeunerwagen samt Pferd. Ein aussergewöhnliches Angebot, klar, aber warum nicht? Die Reise ist so konzipiert, dass man eine ca. einstündige Einweisung bekommt, wie man sich um das Pferd kümmert (dein Haustier für eine Woche), es in den Wagen einspannt und wie man die Route befolgt. Natürlich ist das alles bereits durchorganisiert, so muss man sich keine Gedanken machen, welche Wege man einschlagen könnte.

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Man bekommt also ein Dossier (das Deutsche ist wesentlich präziser und umfänglicher als das Französische… warum wohl?) in welchem die täglichen Routen von ca. 15 – 20km ausführlich mit Text und Karte beschrieben sind. Zudem sind Schilder aufgestellt, welchen man folgen kann. Insgesamt gibt es drei verschiedene Routen. Jeweils zwei bis drei Zigeunerwagen werden auf die gleiche Route geschickt, so begegnet man den anderen “Zigeunern” zwar morgens und abends auf den Stationen, die tägliche Route selbst kann man allerdings alleine antreten. Kann. Denn Pferde sind ja bekanntlich Herdentiere. Dickköpfige, tonnenschwere Herdentiere. Wenn das Pferd sich also dazu entschliesst, nur zu laufen, wenn ein anderes Pferd voran geht, muss man damit wohl oder übel einverstanden sein… Egal wie laut man “allez, allez!” schreit.

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Unser Pferd, Farandole – genannt “Fafa” – entschied sich beispielsweise schon am ersten Tag, nur zu gehen, wenn es dem Chefpferd nachtrotten darf. Glücklicherweise sassen im Chefpferd-Wagen sehr freundliche Leute, mit welchen wir demnach unsere täglichen Wege abmarschierten. Abends kommt man in der Station an, wo man das Pferd nach der Fütterung auf die Wiese lässt und der Wagen an den Strom angeschlossen werden kann. Entweder man lässt sich für pauschale 15 Euro bei der jeweiligen Bauernfamilie zum Abendessen einladen, was in Frankreich natürlich bedeutet: Vorspeise, Hauptspeise, Dessert und so viel Rotwein, wie man konsumieren kann. Oder man kocht sich selbst etwas im Wagen. Da man aber mitten in der Pampa ist, gibt es keine Möglichkeit, Lebensmittel einzukaufen. Einzig eine fahrbare Bäckerei, die morgens um halb acht bei der Bauernfamilie klingelt, kommt täglich vorbei.

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Das ist wohl auch der Aspekt, der die Entspannung etwas gestört hat: Morgens muss früh aufgestanden werden. Das Pferd braucht Futter und Pflege, der Wagen muss bereit gemacht werden und irgendwie muss man noch kurz selbst ein Frühstück einnehmen, bevor es spätestens um halb zehn Uhr los geht. Denn mit nur einem PS braucht man für die 20km schon acht bis neun Stunden. Dank der ländlichen Idylle kommt es aber immerhin auch mal vor, dass man von schnurrenden Babykatzen geweckt wird.

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Trotz eher bescheidener Wohnsituation im Wagen, inkl. insektenreichen Nächten, ist der Spass nicht ganz so billig. Klar, das Training der dreissig speziell freundlichen Zugpferde ist eine langjährige und kostspielige Angelegenheit. So zahlt man für sieben Tage in der Hochsaison stolze 800 Euro. Trotzdem tragen die französische Landschaft, das langsame Tempo und die friedliche Umgebung zu einer romantischen Stimmung bei, die man mit einem Städtetrip kaum erreichen kann.

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