Blende, Verschlusszeit und ISO

Die Einstellungen für Blende, Verschlusszeit und ISO-Empfindlichkeit sind nicht nur von der Lichtsituation und dem Motiv abhängig, sondern vor allem vom Anspruch des Fotografen. Deshalb gibt es kein richtig oder falsch!

Doch erst wenn man ein Verständnis für das Zusammenspiel der drei Komponenten entwickelt hat, kann man bewusst auf die Gestaltung und somit auf die Aussagekraft des Motivs Einfluss nehmen.

Back to the Roots

Ein Blick zurück in die Zeiten der Analogfotografie hilft, die heutige digitale Kameratechnik besser zu verstehen.

Rolleicord Vb – Gebrauchsanweisung: siehe Galerie

Auszüge aus der Gebrauchsanweisung einer Rolleicord Vb (Baureihe: 1962-1976) und ein praktisches Beispiel mit derselbigen, sollen das Zusammenspiel von Blende, Verschlusszeit und ISO-Empfindlichkeit verdeutlichen. Vorab aber einige Begriffsdefinitionen, die zum Verständnis beitragen sollen.

Begriffsdefinitionen

Der Blendenwert (f) (Beispiel: f/1,4)
beeinflusst den Lichteinfall über die Grösse der Öffnung der Objektivblende, und dadurch die Helligkeit des Bildes. Ein lichtstarkes Objektiv zeichnet sich dadurch aus, dass es auch bei schwierigen Lichtverhältnissen (Kerzenlicht, Nacht) entsprechende Ergebnisse erzielt. Die lichtstärksten Objektive der Welt, sind das Carl Zeiss Super-Q-Gigantar f0,33/40mm und das Carl Zeiss Planar f0,7/50mm. Stanley Kubrick setze in seinem Film “Barry Lyndon” das Planar ein und konnte dadurch Szenen bei Kerzenlicht drehen.

Quelle: photoscala.de

Die Tiefenschärfe eines Bildes wird ebenfalls von der Blendenöffnung beeinflusst. Je kleiner der eingestellte Blendenwert, desto unschärfer wird der Hintergrund bzw. desto kleiner ist der Schärfebereich im Bild:

Manuell eingestellte Blende, automatisch eingestellte Belichtungszeit:


Merke:
– Hoher Blendenwert (f/25): Höhere Tiefenschärfe.
– Kleiner Blendenwert (f/2): Weniger Tiefenschärfe.

Die Verschlusszeit (t) (Beispiel t: 1/125)

regelt wie lange die Blende geöffnet bleibt. Mit der Verschlusszeit wird neben der Dauer der Belichtung (Helligkeit), auch die Bewegungsschärfe bzw. -unschärfe des Objekts beinflusst. Blende und Verschlusszeit sind somit direkt voneinander abhängig und man spricht deshalb auch vom Zeit-/Blenden-Paar. Bessere Digitalkameras verfügen über eine Blenden- und Zeitautomatik. Je nach Auswahl wird entweder automatisch die Verschlusszeit der Blende angepasst oder genau umgekehrt. Stellt man auf den manuellen Modus, können Verschlusszeit und Blende, unabhängig voneinander eingestellt werden.

Rolleicord: Abhängigkeit von Belichtung, Tiefenschärfe und Bewegungsschärfe:

Verschlusszeit: Manuelle Belichtungszeit von 20 Sekunden mit automatisch eingestellter Blende von f/5,3:

 
Merke:
– Kurze Verschlusszeit (1/125 sec): Motiv ohne Bewegungsunschärfe.

– Lange Verschlusszeiten (20 sec): Motiv mit Bewegungsunschärfe und Nachtaufnahmen.

Die ISO-Empfindlichkeit (ISO Beispiel: ISO 300)
beschreibt die Lichtempfindlichkeit des Kamera-Chips. Ein hoher ISO-Wert steht für hohe Lichtempfindlichkeit. Wenn man einen Vergleich mit der Analogfotografie sucht, so musste der Fotograf bei der Auswahl des Films, die jeweilige Lichtsituation berücksichtigen. In der heutigen Digitaltechnik, wird diese Filmempfindlichkeit quasi simuliert.

Analog-Film: Portra ISO 160 (geeignet für Tageslicht):
[singlepic id=700 w=500 h=365 float=

Merke:

ISO 100 – 400: Aufnahmen bei Sonnenlicht.
ISO 400 – 800: Aufnahmen bei bedecktem Himmel, bei Dämmerung.
ISO > 800: Aufnahmen bei Dunkelheit.

Praktisches Beispiel: Ein Foto mit der Rolleicord Vb

Das nachfolgende Beispiel soll illustrieren, welche Faktoren es bei der Einstellung der Belichtung, zu berücksichtigen gilt:

Ziel:
Auf der Aufnahme soll ein Fussballer, ohne Bewegungsunschärfe (kurze Verschlusszeit), jedoch mit hoher Tiefenschärfe (hoher Blendenwert) abgelichtet werden:

  • Motiv: Fussball-Spieler in Bewegung
  • Ort: Strand
  • Zeit: Hochsommer, Mittagszeit
  • Licht: direktes Sonnenlicht
  • Kamera: Rolleicord Vb
  • Film: Portra Kodak Professional: ISO 160

Erster Schritt: Film auswählen
Filmempfindlichkeit für Tageslicht, aus dem Bereich ISO 160 bis ISO 400, auswählen.

Zweiter Schritt: Verschlusszeit einstellen
Da sich unser Motiv, der Fussballspieler bewegt und wir die Person scharf bzw. ohne Bewegungsunschärfe ablichten möchten, wählen wir eine kurze Verschlusszeit von 1/250 Sekunde. Um so schneller das Motiv, desto höher muss die Verschlusszeit gewählt werden:

Rolleicord: Empfohlene Verschlusszeiten

Dritter Schritt: Blendenwert einstellen
Auf der Rückseite der Rolleicord findet sich folgende Belichtungstabelle, die angibt, bei welcher Filmempfindlichkeit welche Blendenöffnung einzustellen ist:

Rolleicord: Belichtungstabelle

Um  die korrekte Blende ablesen zu können, müssen folgene Faktoren berücksichtigt werden:

– Lichtsituation: Die Bilder im oberen Teil beschreiben unterschiedliche Lichtsituationen und Örtlichkeiten. In unserem Beispiel: Strand, mittagszeit, sonnig

– Filmempfindlichkeit: In der linken und rechten Spalte finden sich die ASA und DIN-Werte. Die ASA-Werte können eins zu eins mit den ISO-Werten vergleichen werden. Wir orientieren uns am ASA-Wert 200, welcher am nächsten an unseren eingelegten Film mit der Empflindlichkeit ISO 160, herankommt. 

Blende: In den fünf mittigen Spalten sind die Blendeneinstellung aufgelistet: f/8 bis f/18. Es lässt sich nun ablesen, dass die Blende f/15 zu den Lichtverhältnissen (Strand, mittagszeit, sonnig) und der Filmempfindlichkeit (ASA 200 bzw. ISO 160) passt.

– Helligkeitskorrektur: Wäre das Fussball-Spiel am Abend, hätte die Blendenöffnung korrigiert werden müssen: “Zur Korrektur des Belichtungswertes dienen die unteren Spalten der Tabelle. Sie berücksichtigen die Helligkeitsabnahme bei tieferem Sonnenstand (obere Spalte: bei voller Sonne, untere Spalte: bei bedecktem Himmel.) Als einfaches Mass für die Beurteilung der Lichtverhältnisse ist die Länge des eigenen Körperschattens zugrunde gelegt.)”

Demnach stellen wir Blende f/15 mit einer Verschlusszeit von 1/125 Sekunden ein.
Ob das Foto nun gelungen ist, kann leider erst nach der Filmentwicklung beurteilt werden 😉