Berlinale Digest: Xingu

Wir waren an der Berlinale. Zu viele Filme, zu wenig Tickets. Man nimmt was man bekommt. Trotzdem war’s ein lohnenswerter Ausflug.

Xingu

„Xingu, hört sich chinesisch an. Wieso nicht?“ denke ich mir am Ticketschalter. Ich habe keine Ahnung, welcher der gefühlten 500 Filmen der Berlinale dieser „Xingu“ ist. Nach einer Weile gibt man auf, sich die Filme aus dem riesigen Programmheft rauszusuchen und nur nach denen zu fragen, die interessant klingen. Zu viele Filme, zu wenig Tickets. Man nimmt was man bekommt.

Tags darauf gehe ich an die Vorstellung. Eine halbe Stunde zu früh versteht sich, da man sonst nur noch in den vorderen Reihen einen Sitzplatz findet und den Saal mit einer Nackenstarre verlässt. Ich mache es mir in einer der hinteren Reihen gemütlich und warte auf den chinesischen Film.

Beim genial schlichten Vorspann wird mir schnell bewusst, dass es sich um einen brasilianischen Film handelt. Im Verlauf des Filmes finde ich heraus, dass „Xingu“ ein Nebenfluss des Amazonas ist.

Der brasilianische Regisseur und Filmautor Cao Hamburger inszeniert mit dem Drama „Xingu“ die wahre Geschichte dreier gutbürgerlicher Brüder. Die Protagonisten helfen bei der Erschliessung des vermeintlich herrenlosen Amazonasgebiets in den 60er Jahren den einheimischen Indiovölkern.

Die Gebrüder Villas-Boas, gespielt von Joao Miguel, Caio Blat und Felipe Camargo, begeben sich auf eine abenteuerliche Reise in den riesigen Urwald. Die Spannung steigt bei der ersten Begegnung mit den „wilden“ Indigenen. Voller Ideale und Faszination erkennen Orlando, Claudio und Leonardo Villas-Boas schnell die Schönheit der Lebensart dieser jahrhundertealten Kulturen. Und sie verstehen, dass sie den Gefahren, die eine kommerzielle Erschliessung ihres naturbelassenen Lebensraums mit sich bringt, hilflos ausgeliefert sind. Mit einer rettenden Idee wollen sie die Indios vor den eingeschleppten Krankheiten, der mörderischen Ausbeutung der Grossunternehmer und der Rodung des Urwaldes bewahren.

Mit hinreissenden Bildern und lebensnaher Schauspielkunst zeigt uns Cao Hamburger die Metamorphose der Brüder, von abenteuerlustigen Jungs hin zu getriebenen und gequälten Männern, die sich ungeahnten äusseren und inneren Widrigkeiten widersetzen müssen. Der Takt des Filmes wirkt auf den ungeduldigen Zuschauer etwas langsam und träge, doch das Drama wird von den Bildern des Chef-Kameramannes Adriano Goldman über diese Trägheit erhoben. Schnellere Schnitte hätten die Aufnahmen der grandiosen brasilianischen Landschaften gekappt, ihnen den Entfaltungsraum geraubt. Bei diesem Film muss man sich Zeit lassen. Aber man taucht aus dem Urwald mit einem Gefühl von realistischer Hoffnung wieder auf.

Xingu landete beim Berlinale Publikumspreis auf dem dritten Platz. Er kommt am 06. April 2012 in die brasilianischen Kinos. Ob er auch in der Schweiz gezeigt wird, ist noch nicht bekannt.

Zur portugiesischen Website des Filmes.