Character Design Challenge

Stell dir einen grossen Zauberer vor, der dich mit einem wissenden Blick durch seine runde Brille begutachtet. Sein roter Mantel glänzt im Kerzenlicht, ganz im Gegenteil zu seinen zerzausten, buschigen Haaren. Hast du ein Bild vor Augen? Ja? Dann bin ich mir ganz sicher, dass du gerade jemand anderes vor dir hast, als ich es gerade tue. Genau das macht Character-Design so spannend.

Wir Menschen werden von all den Eindrücken in unserem alltäglichen Leben geprägt und wir greifen in unseren Fantasien immer wieder auf Dinge zurück, die wir bereits schon mal gesehen haben. All diese Eindrücke sind wortwörtlich ein «Erfahrungsschatz», aus dem wir schöpfen können. Die Hürde ist es nun aber, diese flüchtigen Bilder in unserem Kopf in die echte Welt zu übertragen. Mit Stift und Papier bewaffnet macht man sich ans Werk. Doch währenddem man zögernd vor dem weissen Blatt Papier sitzt, verflüchtigt sich das Bild, das man sich gerade vor Augen geführt hatte.

Genau dieser Herausforderung stellt man sich bei der «Character Design Challenge». Die gleichnamige Facebook-Gruppe mit über hunderttausend Mitgliedern ernennt jeden Monat ein neues «Thema des Monats». Alle Mitglieder sind daraufhin eingeladen, ihre eigenen Charakter-Kreationen beizutragen. Am Ende der Challenge werden die besten Einreichungen von einer Jury ausgewählt und ausgezeichnet.

Sowohl Neulinge, als auch Character-Design-Veteranen beteiligen sich an der Challenge. Um jedoch mit all den herausragenden Illustrationen der anderen mithalten zu können, gibt es einige Dinge, auf die man als Neuling achten kann:

 

11 Tipps für ein kreatives und einzigartiges Charakter-Design

 

Halte deine Idee fest
Warte nicht, bis sie sich verflüchtigt hat. Mach ein Mindmap oder tobe dich bereits in ersten Skizzen aus. Sammle alle Ideen. Auch die, die dir im Moment unsinnig erscheinen. Später ist es vielleicht genau dieser Einfall, der deinen Charakter ausmacht.

 

Lass dich inspirieren
Im Internet wimmelt es nur so von talentierten Menschen. Lass dich von ihrer Arbeit inspirieren und versuche so, neue Herangehensweisen für dich selbst zu finden. Die Plattform DeviantArt ist hierzu geradezu prädestiniert.

 

Leg los
Verlier dich nicht zu lange in der Ideenfindung. Die besten Einfälle kommen, währenddessen man an seinem Werk arbeitet. Genau wie bei einer Schreibblockade hilft es auch hier, einfach den Stift in die Hand zu nehmen und loszulegen.

 

Geh Schritt für Schritt
Zeichne ein Skelett mit einfachen geometrischen Formen und arbeite das nach und nach weiter aus. Die Details kommen zum Schluss. So kannst du deinen Charakter in jeder Zwischenstufe nochmals begutachten und hast die Möglichkeit, Änderungen einfacher anzubringen, ohne etwas komplett neu zeichnen zu müssen.

 

Wechsle die Perspektive
Versuche, deinen Charakter anders darzustellen, als es bisher getan wurde. Vielleicht kombinierst du zwei ganz unterschiedliche Konzepte miteinander und kreierst etwas komplett Neues. Oder du stellst ihn in einer unerwarteten Situation dar. Oder du befolgst den nächsten Punkt:

 

Wage es, extrem zu sein
Natürliche Proportionen sind schön und gut. Doch diese sehen wir immer in unserem Alltag. Spiele mit ihnen. Experimentiere und trau dich, auch mal über das Ziel hinauszuschiessen. Achte aber darauf, dass das Gesamtbild deines Charakters trotzdem stimmig bleibt.

 

Einzigartigkeit ist wichtiger als Perfektion
Gute Illustrationen sind nicht die, die am detailreichsten sind, sondern die, die sich durch einen einzigartigen Stil herausheben können. Setze dementsprechend deine Prioritäten.

 

Dynamik macht lebendig
Dein Charakter ist eigentlich keine statische Zeichnung. Er ist ein Lebewesen in seiner ganz eigenen Welt und du erlaubst mit deinem Werk einen Einblick. Zeig das! Lass deinen Charakter sich in seiner Welt bewegen und erzeuge so Spannung und Dynamik.

 

Erzähle eine Geschichte
Ein Bild kann mehr als tausend Worte sagen. Deine Illustration hat genau dieses Potenzial. Erzähle in dem Standbild eine Geschichte. Lass den Charakter mit etwas interagieren oder erschaffe einen Kontext mit der Umgebung, in der er sich befindet. Du muss nicht alles perfekt zeichnen – es anzudeuten, reicht oft schon aus.

 

Zeig Emotionen
Dein Charakter wird nicht nur durch sein Aussehen definiert, sondern auch durch sein Auftreten und seine Emotionen. Mach sie deutlich in seiner Mimik und Körperhaltung.

 

Konzentrier dich auf das Wichtige
Verlier dich nicht in den Details. Was deine Zeichnung in erster Linie ausmacht ist das Gesamtbild und dessen Einzigartigkeit. Konzentrier dich darauf und auf die Emotionen und die Geschichte, die du vermitteln möchtest. Details werden natürlich sehr geschätzt -–aber sie sind ganz klar zweitrangig.

 

Seinen eigenen Charakter zu erschaffen macht unheimlich Spass. Hoffentlich helfen dir diese 11 Tipps bei deinem ganz eigenen Design.

Im Dezember 2016 war «Harry Potter» das monatliche Thema, zu dem man im Rahmen der Character-Design-Challenge Illustrationen einreichen konnte. Ich habe alle Harry-Potter-Bücher gelesen, Filme geschaut und Games gespielt – diese Challenge durfte ich also nicht vergehen lassen, ohne mitzumachen.

Ich war schon immer Fan von der liebevoll tollpatschigen Hexe Tonks, die ihre Haarfarbe auf Knopfdruck ändern konnte. Die Entscheidung für mein Character-Design fiel schnell auf sie. Das Ergebnis und einen Einblick in meinen eigenen Prozess zeige ich euch gerne.

Na, hast du das Bild des grossen, zerzausten Zauberers in seinem roten Mantel noch im Kopf? Dann schnapp dir Stift und Papier oder dein Grafiktablett und hauch ihm ein bisschen Leben ein in deinem ganz eigenen Character-Design. Viel Spass!

(fs)

Kritik
von Ricardo Alves

Letztes Semester im Fach Sketch&Draw durften wir unseren ersten Charakter designen, den wir anschliessend sogar animieren konnten. Schon diese Aufgabe fand ich toll und das Gestalten des Charakters war mitunter der beste Teil der Aufgabe. Was jedoch schade war: Der Charakter musste sehr schlicht sein, damit er sich für die Animation eignet. In diesem Digezz-Projekt wollte ich einen komplexeren Charakter erschaffen. Da ich schon seit mehreren Monaten Teil der  Facebook-Gruppe der "Character Design Challenge" bin, entschied ich mich dazu, dieses Projekt mit der Challenge zu verbinden. Das Thema "Harry Potter" fand ich sowieso toll.

Der Prozess

Am Anfang war ich sehr unsicher, ob ich tatsächlich die Qualität erreichen kann, die ich mir wünsche. In der Facebook-Gruppe wurden schon unzählige Zeichnungen hochgeladen, die unglaublich gut aussahen. Die Messlate war also sehr hoch und da ich noch nie ein solches Charakter-Design gemacht hatte, konnte ich es schwer einschätzen. Versuchen wollte ich es trotzdem.

Ich setzte mich hin, sammelte Ideen und fing schon bald mit den ersten Skizzen an. Für mein erstes Charakter-Design entschied ich mich für eine einfache Pose des Charakters (was im Nachhinein vermutlich keine gute Entscheidung gewesen ist). Das angewinkelte Bein und das Zwinkern soll trotzdem den Charakter meiner Figur wiederspiegeln: Frech, selbstbewusst und hoffnungsvoll.

Die ersten Skizzen waren ganz ok. Jedoch wurden meine Zweifel noch grösser: Hat diese Skizze wirklich das Potential, zu einem gut gezeichneten Charakter zu werden?

Ich schob die Zweifel auf die Seite und fragte andere Leute nach ihrer Meinung, was sie von der Skizze halten. Nach einigen kleinen Anpassungen entschied ich mich, weiterzumachen und die Skizze nun in den eigentlichen Charakter zu verwandeln.

Das Colorieren machte mir Spass. Vor allem, da ich nach und nach beobachten konnte, wie der Charakter Form annimmt. Ich fing mit Farbflächen an und arbeitete danach alles mit Schatten aus, was dem ganzen Bild Tiefe und Dynamik gab.

Zum Schluss wendete ich mich noch den Details zu. Ich zeichnete Nähte und Schmuckstücke und korrigierte kleine Fehler. Ich war am Ende doch sehr zufrieden mit der Zeichnung und war zuversichtlich, dass sie mit den anderen in der "Character Design Challenge" konkurrieren kann.

Die Erkenntnis

Ich selbst war zufrieden und auch meine Mitmenschen fanden meine Illustration toll. In der Facebook-Gruppe der Challenge stiess die Zeichnung jedoch auf kaum Aufmerksamkeit. Ich habe gerade mal zwei Likes gekriegt, wo andere beinahe zweitausend haben. Das hat mich ehrlichgesagt sehr traurig gemacht, da ich vor dem Upload so zuversichtlich war und mich auf Reaktionen und Kritiken gefreut hatte. Ich habe mich danach gefragt, was mit der Zeichnung nicht stimmt.

Ich glaube sie hat nicht genug Charakter. Ausserdem ist es noch ein sehr statisches Bild. Die Lichtstimmung im Bild ist auch keine Spezielle. Das sind alles Punkte, die ich bei einem nächsten Charakter-Design beachte. Ich hätte weniger auf Details achten sollen. Stattdessen hätte ich mir am Anfang eine noch einzigartigere Figur ausdenken müssen und/oder eine spannendere Lichtstimmung und Bewegung ergänzen.

Viele andere Illustratoren, die sich an der Challenge beteiligt haben, zeichnen in ihrem ganz eigenen Stil. Diesen habe ich natürlich noch nicht, da mir die Erfahrung fehlt.

Ich bin eigentlich sehr zufrieden mit dem Endergebnis - aber ich weiss, dass ich noch einen sehr, sehr weiten Weg vor mir habe. Ich konnte mit diesem ersten Charakter aber schon viel dazulernen.

Der Digezz-Beitrag

Da ich selbst so viele Erkenntnisse sammeln konnte in dieser Challenge, wollte ich ein paar in Form einer Tipps-Sammlung weitergeben. Die kleinen Illustrationen zwischendrin lockern den Text auf und passen sehr gut zur gesamten Thematik.

Kommentar (1)

Schreibe einen Kommentar