Was ist ZOE? ZOE ist Bierdeckelidee, Herzensangelegenheit, Grössenwahn, Lernprojekt und Chance in einem. Für die Zuschauer ist es vor allem ein junger Schweizer Spielfilm, für die Initianten eine grosse Portion Erfahrung. Erfahrung die wir gerne mit euch teilen. In diesem Artikel werden wir den Fokus auf die Pre-Production-Phase legen.

Behandelt werden hierbei Themen wie professionelles Casting, die Entstehung des Drehbuchs, Sponsorensuche, Location-Scouting und Drehvorbereitung. Allerdings können wir euch keine Zauberformel oder ein Geheimrezept für diese Themen weitergeben. Stattdessen haben wir jede Menge Inputs die hoffentlich euren nächsten Projekten zu Gute kommen.

Ein paar Eckdaten

Zeitplan:
Projektstart: 01. Mai 2015
Film fertig: Ende Juli 2016
Voraussichtlich im Kino: November/Dezember 2016

Beteiligte:
6 Projekt-Hauptverantwortliche
11 Freiwillige Helfer
3 Drohnenpilote
5 Hauptdarsteller
8 Nebendarsteller
13 Statisten
1 RED-Kamera
1 Villa


Entstehung des Drehbuchs

Das Drehbuch wurde innerhalb von zwei Wochen geschrieben. Was viel länger ging, war die Ausarbeitung des Story-Gerüstes, der Charaktere und die Verdichtung der Geschichte. Diese Planung nahm ca. sechs Wochen in Anspruch, was immer noch sehr wenig ist. Nur durch eine gute Vorbereitung kann garantiert werden, dass die eigentliche Schreibarbeit und die Dialoge eine gewisse Qualität aufweisen und das Ganze nicht als zusammenhangslose Zitatensammlung verstanden wird. Deshalb möchten wir euch die wichtigsten Tipps/Regeln nicht vorenthalten.

1) Kenne deine Charaktere: Jeder der Hauptcharaktere braucht einen individuellen Charakter-beschrieb, ergänzt mit Beispielfotos, die die äussere Hülle des Charakters widerspiegeln. Diese innere und äussere Beschreibung der verschiedenen Rollen, macht es der Casting-Crew einfacher, den richtigen Schauspieler auszuwählen, ausserdem kann der Schauspieler sein Spiel mit dem Beschrieb besser auf die Rolle anpassen. Mehr dazu beim Abschnitt Casting.

2) Mach einen Aufbau und arbeite dich von einem alles beschreibenden Satz (Synopsis) zur detaillierten Geschichte (Drehbuch) vor. Die Reihenfolge hierbei war bei uns:

  • Logline – Handlung in ein bis drei Sätzen ohne Ende
  • Ideenskizze – Erste schriftliche Skizzierung (sehr hilfreich bei komplexen Filmen)
  • Aufbau der Geschichte nach der Heldenreise
  • Synopsis – Zusammenfassung auf einer Seite
  • Exposé – eine drei bis acht Seiten lange Zusammenfassung des Films
  • Drehbuch

3) Beachte die international geltenden Regeln für die Formatierung des Drehbuchs und die verschiedenen Abkürzungen.

So finden sich alle beteiligten Personen schnell zurecht und müssen nicht immer wieder aufs Neue Drehbuchautor-spezifische Abkürzungen lernen. Wer ein Drehbuch schreiben will, dem empfehlen wir den Leitfaden auf screenwriter.ch und die gratis Software Citrix die vom Drehbuch bis zur detaillierten Organisation nützlich ist.

Dies waren unsere persönlichen Tipps. Die Bibel für jeden Drehbuchautor ist allerdings “Story” von Robert McKee. Mit diesem Buch habt ihr das ganze Wissen für ein hochstehendes Drehbuch in der Hand.


Sponsorensuche

Die Sponsorensuche ist sicherlich nicht die schönste Beschäftigung, aber essentiel für die Durchführung grösserer und auch kleinerer Projekte. Hier gibt es verschiedene Wege, die man einschlagen kann. Sei es ein privater Gönner oder eine Firma; wir empfehlen ein breit gestütztes Sponsoring. Das heisst nicht einem grossen Sponsoren vertrauen, sondern eher vier bis fünf kleineren – so reduziere ich mein Risiko um ein Vielfaches. Doch wer ist bereit, in euer Projekt zu investieren? Wir haben uns bei ZOE, neben einem Wirtschaftspartner, auf drei Hauptpfeiler konzentriert:

Stiftungen
Stiftungen sind gute Anlaufstellen. Egal ob ihr einen Spiel- oder Dokumentarfilm dreht, es finden sich immer verschiedene Stiftungen die zu eurem Projekt passen und sich über euer Gesuch freuen werden. Stiftungen sind schnell gegoogelt; wer dafür zu faul ist kann sonst mit filmlink.ch beginnen. Neulingen möchten wir einen kurzen Artikel der Aargauer Zeitung empfehlen – den
die Schweizer Filmförderung ist, wie vieles in unserem schönen Land, vom “Kantönligeist” abhängig.

zoe_wemakeitCrowd-Funding-Plattformen
Eher eine neue Erscheinung, funktioniert aber sehr gut. Voraussetzung ist ein gutes Werbevideo und eine transparente und packende Vorstellung des Projektes. Das System ist einfach; Mister X findet das Projekt von Miss Y interessant und will Geld investieren. Das Geld bekommt er auch bei einem Erfolg des Projektes nicht zurück, jedoch bekommt er von Miss Y ein Geschenk – z.B. eine Einladung an die Premiere mit einem Meet and Greet mit den Schauspielern. Bei ZOE lancierten wir eine Crowd-Funding-Kampagne auf wemakeit.com.

Produktplatzierungen
Eine weitere Finanzierungsquelle sind Produktplatzierungen. Vor allem bei grösseren Produktionen lohnt sich das Anschreiben potentieller Firmen. Typisches Beispiel sind hier Technik-Gadgets, Autos oder ein Bier-Brand. Wichtig: Die Szene darf nicht einen zu werberischen Charakter erhalten und muss die Geschichte voran treiben.

Hinter all diesen Sponsoren sind auch nur Menschen mit Emotionen. Daher ist ein guter und kompetenter Auftritt auf einer Website unumgänglich und essentiell für den Erfolg des Projektes. Mit www.zoefilm.ch entstand eine Seite, die bereits in der frühen Pre-Production-Phase online war und potentielle Sponsoren, Schauspieler und sonstige Interessenten über das Projekt aufklären konnte und ihnen die Möglichkeit gab, mit uns in Kontakt zu tretten.


Location Scouting

Gute Locations sind leider nicht so einfach zu finden wie Sand am Meer. Für diese Aufgabe rechnet man besser einen grossen administrativen Aufwand mit ein. Je nachdem wie aufwendig die Drehorte im Drehbuch sind, muss auch mit massiven Budget-Erhöhungen gerechnet werden.

Da wir bei ZOE kein Geld für einen Location Scout zur Verfügung hatten und uns storytechnisch nicht eingrenzen wollten, gingen wir einen anderen Weg: Unser Drehbuchautor ist gleichzeitig Produzent, Location Scout und noch ein paar andere Dinge – was einen enormen Vorteil mit sich bringt und viel unnötige Bürokratie spart. Dies bedeutet: bevor eine Szene detailliert geschrieben wurde, klärte er gleich das administrative und finanzielle mit den verschiedenen Drehorten und organisierte die Termine. Dies ermöglichte uns sehr spontan zu bleiben und viel Geld zu sparen, und das Resultat lässt sich mehr als sehen:

zoe_locations


Casting

Die Auswahl der Schauspieler ist einer der wichtigsten Bausteine die zusammen mit einer guten Story und einem erfahrenen und/oder talentierten Produktionsapparat das Fundament eines erfolgreichen Filmes bilden.

Als die Figuren zu ZOE entstanden, entwickelte unser Drehbuchautor zusammen mit der dafür zuständigen Person für jede der fünf Hauptpersonen ausführliche Profile. Die detaillierte Version mit Beispielbildern zum Aussehen der Rolle wurden nur intern verwendet. Jedoch wurde eine gekürzte Version der Rollenprofile wärend des Pre-Castings auf zoefilm.ch veröffentlicht. Hier ein Beispiel:

PDF Profil von Noelle

Die Personen müssen miteinander funktionieren, sich aber auch ganz klar voneinander unterscheiden können. Nichts schlimmeres als eine Action-Szene mit zwei Brünetten mit mittelangem Haar und bräunlichem Teint, die sich in einem Hinterhof eine ordentliche Keilerei liefern – jeder Zuschauer wird nur damit beschäftigt sein, die zwei auseinander halten zu können und kann sich nicht im geringsten auf die fein säuberlich einstudierte Kampf-Choreographie einlassen. Hier hilft es nur noch wenn man die Personen über das Outfit trennt, zum Beispiel mit einem weissen und einem schwarzen Shirt. Viel einfacher ist es allerdings wenn die Rollen sich innerlich und äusserlich unterscheiden und dies auch beim Casting miteinfliesst. Bei ZOE war dies grob:

  • ZOE: Eine ruhige kurvige Frau mit braunen dichten Locken
  • BEN: Ein introvertierter dünner Mann
  • YANN: Ein extrovertierter sportlicher Mann
  • ISA: Eine ausgeflippte sportliche Frau mit rot-blondem Haar
  • NOELLE: Eine kühle schlanke Business-Frau mit langem geraden Haar

Die Rollen sind zum Teil sehr anspruchsvoll und auf Schauspieler zugeschnitten, die perfekt zu den Figuren passen und schauspielerisch auf hohem Niveau spielen. Zu diesem Zweck wurde eine handverlesene Vorauswahl mit über 150 Schauspielern gemacht. Diese wurde im Kernteam diskutiert verglichen, auf 60 gekürzt und zum Casting eingeladen.

casting_zoe

Für das Casting ist ein neutraler Ort von Vorteil, der für die Schauspieler gut erreichbar ist und ihnen genug Platz zur Entfaltung bietet. Wir konnten das Longstreet an der Zürcher Langstrasse für unser Casting gewinnen – ein Traum von einer Casting-Location, die auch bei den geladenen Schauspieler für Eindruck sorgte.

 

 

Insgesamt 25 Personen nahmen schlussendlich am Casting teil. Hier ein Überblick über alle Teilnehmenden:

Michele Breu, die wir für die titelgebende Figur der Zoe casteten, überzeugte uns unter anderem mit diesem improvisierten Auftritt:

Des Weiteren wurden einige Schauspieler auch zu einem Online-Casting eingeladen. Dies konnten sie direkt über Skype machen oder uns eine Filmaufnahme ihrer Kostproben senden.

Nach dem Casting beschäftigten wir uns zwei Wochen nur mit der Auswahl der richtigen Schauspieler für die richtigen Rollen. Dabei wurden einzelne Schauspieler auch für andere Rollen besetzt, als sie ursprünglich vorsprachen. Die peinlich genaue Auswahl der Schauspieler zahlte sich aus: Alle harmonieren miteinander und füllen ihre Rollen komplett aus.


Drehvorbereitung

Die Wochen vor dem Dreh wurden intensiv genutzt zur Vorbereitung der Dreharbeiten, die am
21. September 2015 starteten. Die meisten Locations sowie die Schauspieler waren zu diesem Zeitpunkt bereits alle fix. Während die Produzenten letzte Abklärungen machten, war es in dieser Zeit die Aufgabe des Director of Photography, das Drehbuch visuell aufzulösen und eine Shotlist zu erstellen – eine aufwendige, aber sehr kreative Arbeit, aus der das – neben dem Drehbuch – wichtigste Dokument für den Dreh resultiert.

Eine Woche vor Drehbeginn geschah das Undenkbare: unsere Hauptlocation, die alte Villa, stand uns nicht mehr zur Verfügung. Ein herber Rückschlag, der beinahe das gesamte Projekt zum Scheitern brachte. Schliesslich waren alle Schauspieler gebucht, die Sponsorengelder geflossen, das Equpiment gemietet und die Crew hochmotiviert. Anstatt alles hinzuschmeissen, gaben wir noch mehr Gas und trieben innerhalb weniger Tage eine valable Alternativlocation auf. In Windeseile musste das Drehbuch umgeschrieben werden, die Shotlist wurde unbrauchbar. Doch in diesem Moment des Chaos glaubte das Team weiterhin an den Erfolg des Projekts und gab Vollgas.

Aus dieser intensiven Zeit nahmen wir einiges mit, was auch euch vor unangenehmen Situationen retten könnte:

  • Genügend Zeit in die Vorbereitung stecken. Im Nachhinein ist man stets schlauer und sagt, darauf hätten wir vorbereitet sein müssen. Deshalb: bereitet euch auf das Schlimmste vor, geht ein Szenario durch, was ihr in diesem Fall machen würdet. Wenn es nicht eintrifft, umso besser. Aber seid euch bewusst, dass euch jederzeit (auch während dem Dreh) eine Location oder ein Schauspieler absagen kann. Darauf müsst ihr vorbereitet sein.
  • Bei speziellen, einzigartigen Locations sollte man sich schriftlich absichern, wie der Dreh aussieht, wie lange man dort ist, wieviele Personen involviert sind, damit die Eigentümer des Orts eine Vorstellung haben, was ihr vorhabt. Für euch mag es selbstverständlich klingen, doch ihr müsst das jedem einzelnen Eigentümer genau verklickern.
  • Nehmt euch die Wochen vor Drehbeginn frei. Diese Vorbereitungsphase ist ebenso intensiv wie der Dreh selbst und verlangt alles von euch. Deshalb plant genügend Zeit ein, um im Notfall reagieren zu können, falls ihr beispielsweise eine neue Location aufsuchen müsst.

Abschliessend lässt sich sagen, dass das Projekt ZOE für uns von unschätzbarem Wert ist, da wir enorm Erfahrungen sammeln konnten. Eine Chance, die man später auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr hat, wenn man darauf angewiesen ist, von seiner Arbeit leben zu können. Wir können daher nur jedem empfehlen, diese Chance zu ergreifen und etwas auf die Beine zu stellen. Ihr lernt dabei unglaublich viel.

Kritik
von Sven Schnyder, Sebastian Klinger, Johannes Thüring, Roy Stahl, Philipp Becker, Yasmine Sihite, Céline Schnorf, Florian Schindler, Flavio Deflorin, Chanel Mülhaupt, Fabienne Wernli, Nina Müller und Luca Steiner

Idee

Das Studium Multimedia Production führt die Studenten ab dem ersten Tag des Studiums in die Welt der Filmproduktionen ein. Viele tolle Dozenten zeigen uns verschiedene Schnitt- und Effektprogramme, lernen uns Storytelling und das Handling mit Kamera, Licht und Ton. Nach fünf Semestern und zwei grossen Projekten, fragten wir uns, was wir zu Beginn des Studiums begrüsst hätten. Alle waren sich einig; mehr Inputs von Lernenden oberer Semester, wie sie dies oder das auf die Beine gestellt, organisiert oder bezahlt haben. Mit diesem Artikel wollen wir den jüngeren Semestern von unseren Erfahrungen erzählen und ihnen so helfen das eine oder andere Problem aus der Welt zu schaffen.

Umsetzung

Viele multimediale Bausteine wie die Website, Promotion-Videos, Logos etc. waren relativ schnell erstellt. Dafür gab es andere Hürden. Was bei solch einem grossen Projekt nie zu unterschätzen ist, ist der administrative Aufwand. Johannes, Sebastian und Sven sind seit Mai jeden Tag mit dem Projekt beschäftigt und hatten eine sehr intensive Vorbereitungszeit. Die ganzen Sommerferien 2015 hindurch wurde täglich an ZOE gearbeitet - unzählige Stunden investiert. Trotzdem konnten wir bis zu Drehbeginn nicht alle offenen Fragen klären. Deshalb würden wir uns bei einem weiteren Projekt dieser Grösse noch mehr Zet in der Pre-Production-Phase geben. Doch egal welche Probleme auch auftreten, mit einem gut funktionierenden Team können fast alle gelöst werden. Trotzdem kann es vorkommen, dass ein Teammitglied oder ein Schauspieler einen schlechten Tag erwischt. Man arbeitet 14 - 16 Stunden am Tag eng miteinander, dies führt zu Spannungen. Transparenz ist hier alles. Wir kommunizierten immer sehr offen miteinander, um effizient und ohne Nebengeräusche weiter zu arbeiten. Dies klappte sehr gut. Den Schauspielern richteten wir zusätzlich während dem Dreh in der Villa ein Zimmer als Rückzugsmöglichkeit ein. Alles trug zu einer besseren Stimmung bei, die jeder, der auf einem Filmset arbeitet, begrüsst und im Endprodukt spürbar ist.

Fazit

Die Entscheidung, ZOE zu starten, war leichtsinnig. Es gab sehr viele unbeantwortete Fragen, auch als der Dreh bereits begonnen hat. Wir waren völlig unterbesetzt mit Runnern und anderem Personal, hatten die eine oder andere Location noch nicht auf sicher. Ein Ziel war, den Dreh so professionell wie möglich durchzuführen. Dieses Ziel haben wir sicherlich verfehlt. Dies lag zum Teil an der relativ kurzen Vorbereitung, zum anderen an verschiedenen Hürden die wir so nicht erwartet hatten. Doch irgendwie findet man immer eine Lösung und es sind alle froh, dass wir all die Baustellen zusammen gemeistert haben und zu Beginn des Projektes diese Portion Leichtsinn vorhanden war.

Ein weiteres Ziel war Erfahrungen sammeln. Dies haben wir übertroffen. Wir alle sind der Meinung, dass dieses Projekt uns einen fliessenden Übergang zwischen den Arbeiten im Studium und den Arbeiten in der realen Wirtschaft ermöglicht. Jeder kam an seine Grenzen und lernte jeden Tag neues dazu, technisch wie menschlich.

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