Berlinale Digest: Ang Babae sa Septic Tank

Wir waren an der Berlinale. Zu viele Filme, zu wenig Tickets. Man nimmt was man bekommt. Trotzdem war es ein lohnenswerter Ausflug.

Ang Babae sa Septic Tank – das ist alles was ich über die bevorstehende Filmvorführung weiss, als ich den riesigen Kinosaal des Cubix 9 an der Berlinale betrete. Dem Philippinisch nicht mächtig, ist das zugegebenermassen nicht gerade viel. Zwar kein gross angekündigter Streifen, dafür ein Film, für den sich ohne Akkreditierung und mit zumutbaren Wartezeiten an der Kasse noch Tickets ergattern liessen. Mein Sitz befindet sich gut gelegen in der hinteren Hälfte des Saals. Letzterer füllt sich schnell bis auf den letzten Platz. Eine Moderatorin hält eine kurze Begrüssungsrede, dann heisst es ohne Trailer und Werbung: „Film ab!“

Ein fürchterlich verwackeltes, auf der grossen Leinwand zudem mässig aufgelöstes Bild, führt einen an Abfallbergen, abgemagerten Tieren und verwirrt schauenden Menschen vorbei, durch den Slum von Manila, Philippinen. Die Kamera folgt einer bislang unbekannten Frau (Eugene Domingo) bis in ihre kümmerlich zusammengezimmerte Abbruchhütte. Während einer minutenlangen Einstellung – gänzlich ohne Schnitt – bereitet sie eine Suppe zu, die sie anschliessend an ihre sieben Kinder verteilt.

Eine Reihe vor mir macht ein junger Mann in der Dunkelheit des Saales mit unglaubwürdigem Blick das Gesicht seiner Begleitung aus: die beiden können ein Lachen nicht verkneifen. Wohl nicht der Handlung wegen, aber ob dies während zwei Stunden auszuhalten ist? Der direkt vor mir sitzende, auf den ersten Blick dem Kulturfilmpublikum zuzuordnender älterer Herr, findet es hingegen gar nicht komisch, er nagt besessen am Brillenbügel. Die Handlung bleibt trist: Die Mutter wäscht im Trog eine ihrer Töchter, zieht sie schön an und bringt sie in die nahegelegene Stadt, wo ein alter europäischer Sextourist in einem Hotel auf das etwa zehnjährige Kind wartet.

Cut – Starbucks, MacBook, Hektik. „Sollten wir nicht doch besser diese andere, hübschere Darstellerin nehmen?“, fragt der junge Filmemacher Rainier (Kean Cipriano) seinen Produzenten  Bingbong (JM De Guzman). Im Hintergrund sitzt Assistentin Jocelyn (Cai Cortez). Alles bisher Gesehene stellt sich als Imagination dreier Filmstudenten heraus, die an ihrem Abschlussprojekt arbeiten. Ihr grösstes Ziel: Es damit an europäische Filmfestivals zu schaffen, neben Cannes nennen sie die Berlinale. Dabei kennen sie die Erwartungen des ausländischen Publikums am philippinischen Kino: Prostitution, Missbrauch, und Müllkippen. Aus diesen Bausteinen entwickeln sie den ultimativen Elendsporno. Der Film beginnt wieder von vorne, dieses Mal mit der anderen Darstellerin.

„Babae sa Septic Tank“ lebt ab sofort von einer Film-im-Film-Handlung, die ein ernstes Thema auf die Schippe nimmt und gefestigte Klischees knallhart ausschlachtet. Der Film beginnt immer wieder von vorne, einfach mit anderer Besetzungen, leicht abgeänderter Geschichte oder stilistisch neuen Ideen der Studenten. So sieht das Publikum nach dem zu Beginn düsteren Realismusdrama plötzlich ein Slum-Musical oder eine Soap mit aggressiver Produktwerbung – die Handlung bleibt dieselbe. Die Stimmung im Kino wird zunehmend lockerer, die Zuschauer wechseln ab zwischen lauten Lachern zu klassisch komödiantischen Szenen und etwas beschämteren Lachern, zu Inhalten weit ab der politischen Korrektheit. Sogar der ernsthafte Mann vor mir hat die Beine mittlerweile entkreuzt und lässt sich zum Schmunzeln hinreissen.
„Babae sa Septic Tank“ lebt von einer grossartigen Idee und ist auf alle Fälle ein Kinobesuch wert. Der hohe Unterhaltungswert nach dem verwirrenden Start nimmt aber mit zunehmender Dauer auch wieder ab. Gegen Ende des Filmes hat man das Konzept der Produktion durchblickt und die Pointen lassen sich ab diesem Zeitpunkt erahnen. Regisseur des Films, Marlon Rivera, war bislang als Theaterregisseur tätig, „Babae sa Septic Tank“ ist seine erste Filmproduktion. Wenn es nicht die letzte bleibt, würde dies aber wenig erstaunen – Mit „The Women in the Septic Tank“ (wie die Produktion mit englischem Titel heisst) gelang ihm gleich auf Anhieb der erfolgreichste Independent-Film der philippinischen Kinogeschichte.
Hier der Trailer zum Film: