Censored Content

Not Safe For Work? War klar, dass du drauf klickst. Und schon bist du da, wo man dich haben will. Das haben auch amerikanische TV- und Radiosender gemerkt: In den USA darf im TV seit einer Weile gesetzeshalber wieder geflucht werden was das Zeug hält. Dennoch werden meistens die bekannten 1000Hz Bleep-Töne immer noch eingespielt, falls die Sprache mal etwas grobschlächtig wird.

Zum einen hat dies in der pseudo-prüden amerikanischen Fernsehlandschaft Tradition und schützt immer noch vor allfälligen Klagen (trotz geändertem Gesetz), aber es hat auch andere Gründe: Es hält die Zuschauer bei Laune: Mit einer deutlichen Zensur von Material, sei es durch Verpixelung, Schwärzung oder Übertönen mittels Bleep-Ton wird automatisch Aufmerksamkeit gewonnen und folglich die Quote erhöht. Also kein Grund, mit dem „Gebleepe“ aufzuhören, auch wenn es gesetzlich erlaubt wäre.

Wir glauben ohnehin zu wissen, was sich hinter all den Zensierten Stellen verbirgt. Aber was passiert aber, wenn zensiert wird, ohne dass dies nötig wäre? Ein Experiment:

Du siehst, was du sehen willst

Im amerikanischen Fernsehen wurden einst auch noch Stinkefinger zensiert, teilweise wird es immer noch so gehandhabt. So vermuten wir hinter verpixelten Stellen in Bildern auch automatisch vulgäres Material.

Bilder mit zensierten Bereichen, bei denen es eigentlich nichts zu zensieren gibt, erlangen dadurch eine komplett neue Bedeutung und erhalten unsere Aufmerksamkeit.

Wenn dies beispielsweise mit den Händen prominenter Persönlichkeiten gemacht wird, wirkt dies umso amüsanter, wie die folgenden Bilder zeigen.

Der Effekt ist zwar lustig, verliert aber seinen Reiz nach einigen Fotos.

Du liest, was du lesen willst

Der Trick mit der unnötigen Zensur funktioniert nicht nur bei Bildern, sondern auch bei Texten. Wir assoziieren Schreibweisen wie F****, Sch***** oder Vö**** automatisch mit Vulgären Ausdrücken, obwohl diese Notationen nicht offiziell sind und sich unter Umständen gar nicht die vermuteten Begriffe dahinter verbergen. Es passiert also alles in unserem Kopf.

Damit lässt sich spielen. In einem absolut harmlosen Text sind somit nur ein paar zensierte Stellen nötig und unser Hirn macht damit was es will. Ein Artikel aus dem Tagesanzeiger könnte folglich so aussehen:

Bildschirmfoto 2015-12-22 um 21.55.46

Original aus dem Tagesanzeiger vom 19.12.2015:

„Schweiz muss das «Schoggigesetz» abschaffen

Die Schweiz muss das sogenannte «Schoggigesetz» abschaffen, erhält aber von der Welthandelsorganisation (WTO) eine Frist von fünf Jahren, in der sie über Kompensationsmassnahmen nachdenken kann. Dies entschieden die WTO-Mitgliedstaaten am Samstag in Nairobi. Bereits im Vorfeld der Entscheidung war klar, dass die Schweiz nicht die von ihr geforderte Frist von sieben Jahren zum Abbau der Exportsubventionen zugesprochen erhalten würde. Für die Schweizer Delegation ist der nun an erzielte Kompromiss aber «akzeptabel».“

Du hörst, was du hören willst

Natürlich kann auch akustisches Material unnötig zensiert werde. Hier funktioniert der Effekt grundsätzlich weniger gut. Ob der Effekt zum Tragen kommt hängt allerdings auch sehr vom verwendeten Original-Material ab und ist wiederum davon abhängig, wie der Zuhörer oder Zuschauer denkt. Um dies auszuprobieren wurde im Rahmen dieses kleinen Versuchs ein mehr oder weniger zufällig ausgewähltes Video Opfer der unnötigen Zensur. Auch hier wird dem Betrachter überlassen, was sich wohl hinter den Bleep-Tönen für Wörter verbergen. Herhalten musste ein Outtake der SRF Webserie „Experiment Schneuwly“:

Das “unzensierte” Video ist hier zu sehen.

Wir sehen also, dass wir reininterpretieren, überall wo zensiert wird. Was geistig genau in die Zensurlücken eingesetzt wird, hängt von den Gedanken und Assoziationen des Betrachters/Lesers/Zuhörers ab.

Kritik
von Micha Lips

Beim Betrachten der englischsprachigen Cartoonserie „Southpark“ fielen mir die unzähligen Zensiertöne auf. Es waren teilweise so viele, dass ich nicht mehr ganz sicher war, welche Wörter sich dahinter verbergen. Also stellte ich mir vor, dass ich mit meiner Vermutung hinter den zensierten Wörtern teilweise auch völlig falsch liegen kann, besonders als nicht-Englisch-Muttersprachler.

Folglich nahm es mich wunder, ob ich das ganze weitertreiben und grundsätzlich völlig harmlosem Inhalt eine neue Bedeutung geben kann, indem ich nichts anderes mache als ihn zu zensieren. Ich erhoffte mir davon auch einen gewissen humoristischen Effekt.

Als Experiment beabsichtigte ich erst nur ein Video zu überarbeiten, merkte aber bald, dass ich die Zensur auch bei anderen Medien wie Bildern und Text einsetzen lässt. Teilweise funktioniert das bei diesen sogar besser. So finde ich, dass die Bilder von bekannten Persönlichkeiten und deren zensierten Händen den besten Effekt ergeben. Denn deren Kontext ist dem Betrachter nicht bekannt, was automatisch mehr Interpretationsfreiraum lässt. Nicht so gut funktioniert das beim Video, in welchem unglaublich viel zensiert werden muss, damit der Zuschauer etwas falsches interpretieren kann.

Mit einer äusserst sorgfältigen Auswahl an Originalmaterial würde sich das Spiel vielleicht noch viel weiterführen lassen. Ein Zusammenschnitt einer Tagesschau o.ä. in welchem Zahlreiche Sätze und Bilder teilzensiert würden, könnten unter Umständen einen komplett falsch interpretierbaren Inhalt vermitteln.

Schlussendlich verbinden wir „Zensur“ nicht nur mit dem „Schutz der Jugend“, sondern oft mit dem negativ konnotierten Zurückhalten von Wissen und mit Bevormundung. Informationen werden verfälscht. Es zeigt sich zusammenfassend aber, dass Zensur richtig oder eben falsch eingesetzt auch einen humoristischen Nebeneffekt hervorbringen kann. Mal funktioniert das besser, mal schlechter.

Bleibt die Frage des Urheberrechts im Falle des im Beitrag verwendeten Bild- und Videomaterials. Die bearbeiteten Bilder und das Video sind satirischer Art, wozu das Urheberrechtsgesetz in Artikel 3 Absatz 3 folgendes sagt: „Zulässig ist die Verwendung bestehender Werke zur Schaffung von Parodien oder mit ihnen vergleichbaren Abwandlungen des Werks.“ Dies sollte somit kein Problem darstellen.

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