Zum einen hat dies in der pseudo-prüden amerikanischen Fernsehlandschaft Tradition und schützt immer noch vor allfälligen Klagen (trotz geändertem Gesetz), aber es hat auch andere Gründe: Es hält die Zuschauer bei Laune: Mit einer deutlichen Zensur von Material, sei es durch Verpixelung, Schwärzung oder Übertönen mittels Bleep-Ton wird automatisch Aufmerksamkeit gewonnen und folglich die Quote erhöht. Also kein Grund, mit dem „Gebleepe“ aufzuhören, auch wenn es gesetzlich erlaubt wäre.
Wir glauben ohnehin zu wissen, was sich hinter all den Zensierten Stellen verbirgt. Aber was passiert aber, wenn zensiert wird, ohne dass dies nötig wäre? Ein Experiment:
Du siehst, was du sehen willst
Im amerikanischen Fernsehen wurden einst auch noch Stinkefinger zensiert, teilweise wird es immer noch so gehandhabt. So vermuten wir hinter verpixelten Stellen in Bildern auch automatisch vulgäres Material.
Bilder mit zensierten Bereichen, bei denen es eigentlich nichts zu zensieren gibt, erlangen dadurch eine komplett neue Bedeutung und erhalten unsere Aufmerksamkeit.
Wenn dies beispielsweise mit den Händen prominenter Persönlichkeiten gemacht wird, wirkt dies umso amüsanter, wie die folgenden Bilder zeigen.
Der Effekt ist zwar lustig, verliert aber seinen Reiz nach einigen Fotos.
Du liest, was du lesen willst
Der Trick mit der unnötigen Zensur funktioniert nicht nur bei Bildern, sondern auch bei Texten. Wir assoziieren Schreibweisen wie F****, Sch***** oder Vö**** automatisch mit Vulgären Ausdrücken, obwohl diese Notationen nicht offiziell sind und sich unter Umständen gar nicht die vermuteten Begriffe dahinter verbergen. Es passiert also alles in unserem Kopf.
Damit lässt sich spielen. In einem absolut harmlosen Text sind somit nur ein paar zensierte Stellen nötig und unser Hirn macht damit was es will. Ein Artikel aus dem Tagesanzeiger könnte folglich so aussehen:
Original aus dem Tagesanzeiger vom 19.12.2015:
„Schweiz muss das «Schoggigesetz» abschaffen
Die Schweiz muss das sogenannte «Schoggigesetz» abschaffen, erhält aber von der Welthandelsorganisation (WTO) eine Frist von fünf Jahren, in der sie über Kompensationsmassnahmen nachdenken kann. Dies entschieden die WTO-Mitgliedstaaten am Samstag in Nairobi. Bereits im Vorfeld der Entscheidung war klar, dass die Schweiz nicht die von ihr geforderte Frist von sieben Jahren zum Abbau der Exportsubventionen zugesprochen erhalten würde. Für die Schweizer Delegation ist der nun an erzielte Kompromiss aber «akzeptabel».“
Du hörst, was du hören willst
Natürlich kann auch akustisches Material unnötig zensiert werde. Hier funktioniert der Effekt grundsätzlich weniger gut. Ob der Effekt zum Tragen kommt hängt allerdings auch sehr vom verwendeten Original-Material ab und ist wiederum davon abhängig, wie der Zuhörer oder Zuschauer denkt. Um dies auszuprobieren wurde im Rahmen dieses kleinen Versuchs ein mehr oder weniger zufällig ausgewähltes Video Opfer der unnötigen Zensur. Auch hier wird dem Betrachter überlassen, was sich wohl hinter den Bleep-Tönen für Wörter verbergen. Herhalten musste ein Outtake der SRF Webserie „Experiment Schneuwly“:
Das “unzensierte” Video ist hier zu sehen.
Wir sehen also, dass wir reininterpretieren, überall wo zensiert wird. Was geistig genau in die Zensurlücken eingesetzt wird, hängt von den Gedanken und Assoziationen des Betrachters/Lesers/Zuhörers ab.