Das White Turf in Selbstgesprächen

Pferderennen auf dem gefrorenen See in St. Moritz.

Ein Grossevent, der an drei Wochenenden im Februar stattfindet und viele neugierige und pferdebegeisterte Leute bewegt, ins Engadin zu reisen. Jahr für Jahr ist es ein Treffpunkt für die High-Society, Pferdebesitzer, Trainer und Jockeys sowie für Pferdeinteressierte wie du und ich. Ob Trabrennen, Flachrennen oder Skikjöring – die Rennen sind vollgepackt mit Emotionen, Adrenalin und Power.

So unterschiedlich die Rennen, so unterschiedlich sind auch die Besucher des White Turf. Von jung bis alt, von klein bis gross oder von dick bis dünn. Jedermann ist anzutreffen. Erlebe nun die Atmosphäre des White Turf in fiktiven Selbstgesprächen:

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Ben

Ben – Mein Vollbart und meine Sonnenbrille decken mein Gesicht zwar ab, doch meine Nasenspitze ist noch zu erkennen. Alle nennen mich Ben – die Abkürzung von Benjamin. Wie auch immer. Ich kippe gerne Bier, egal ob Sommer oder Winter, und interessiere mich für die lustigen Pferderennen hier in St. Moritz. Viele denken, ich trage den Vollbart, um in diesem Panoramabild der Pelz-Elite aufzufallen. Doch im Gegenteil. Es ist so, dass man hier als Normalo mit Vollbart dem unauffälligen Fussvolk angehört. Am meisten geniesse ich die gute Stimmung und die Sonne, die mir ins Gesicht scheint. Stopp! Ich habe glatt vergessen meine Nasenspitze einzucremen.

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Coco Chanel und Maximilian

Coco Chanel – Mein Name ist Coco – Coco Chanel. Ich bin sehr eitel und achte auf gute Kleidung wie mein Herrchen Maximilian. Damit ich in dieser Eiseskälte nicht friere, trage ich einen Pelzkragen mit Schleife. Ein Pfötchen für Modebewusstsein hatte ich schon immer. Nicht so wie all die anderen, die auf dem schneebedeckten See herumstolzieren.
Maximilian – Ach, Coco! Sie ist mein ein und alles! Heutzutage denkt sich jedermann, der High-Society anzugehören. Es sind eben nicht alle so wie meine Coco und ich. Doch manche Leute können sich nicht damit abfinden, an zweiter Stelle zu stehen. Frauen, die sich mit ihren Pelzmänteln und teuren Designertaschen aufspielen. So etwas brauchen meine Coco und ich nicht.

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Moritz

Moritz – Nein! Ich bin der Profisportler, das Pferd im Vordergrund, und nicht der Skikjörer. Den habe ich einige Meter hinter mir verloren. Ich heisse Moritz und bin fünf Jahre alt. Heute dachte ich mir, einmal meinen Hintermann abzuladen. Der soll selbst schauen, wie er die 2700 Meter bewältigt. Alle nennen mich Schlitzohr, doch woher der Spitzname kommt, ist mir schleierhaft. Zu meinen Stärken zähle ich meine Geschwindigkeit, und so freue ich mich jedes Jahr, meinen Konkurrenten meinen gestriegelten Hintern zu zeigen. Mein Blick für die Kamera ist geübt und ich weiss genau, wann abgedrückt wird. Auf den Pressefotos möchte ich natürlich eine gute Figur machen.

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Anastasia

Anastasia – Champagner schlürfen und sich in der Sonne bräunen, herrlich. Den ganzen Tag bin ich in spannende Gespräche mit Sponsoren oder potenziellen Finanzpartnern verwickelt. An der Bande zur Rennbahn kann ich die Pferderennen verfolgen, jedoch mit genügend Abstand – denn mein Respekt vor diesen imposanten Tieren ist gross. An der Apérobar gibt es feine Häppchen mit Kaviar, Lachs oder süsse Schokoladensoufflés. Ich mag die Atmosphäre hier. All die Leute mit ihren schönen Kleidern, teuren Designertaschen und langen Pelzmänteln. Genau die Elite von meiner Schwiegertochter Ciara und mir.

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Toni

Toni – Die Spannweite meiner eleganten Flügel zu zeigen und vor den staunenden Augen der Zuschauer über sie hinweg zu gleiten. Das ist mein Job auf dem gefrorenen See. Eines ist ganz klar – die Leute fahren nur meinetwegen, der grössten Attraktion, nach St. Moritz. Wer will schon langweiligen Pferden zusehen, wie sie auf einer abgesperrten Rennbahn ihre Runden drehen. Ich dagegen bin frei – frei wie ein imposanter Weisskopfadler. Mein Assistent Patrick begleitet mich auf meinen Auftritten immer und ist meine linke Hand –  also ja – mein linker Arm. Wir sind ein echt eingespieltes Team.

(tw)

Kritik
von Laura Eberspächer

Die Idee
Als lernende Multimedia Produzentin von einem Grossevent zu berichten, das wollte ich unbedingt. Ich hatte vom White Turf in St. Moritz schon viel gehört, doch ich war noch nie da. Das sollte sich dieses Jahr ändern. Meine Idee war es, einen Bericht mit unterstützender Bildergalerie zu produzieren. Also machte ich mich noch ein wenig planlos am ersten Rennsonntag nach St. Moritz. Ich wollte den jungen, medienaffinen Leuten einen spannenden und unterhaltsamen Beitrag bieten. Einen Pferdesportevent auch nicht Pferdebegeisterten schmackhaft zu machen, das war mein Ziel.

Das Konzept
Ich fing diverse Impressionen des Events ein. Beim Besichtigen meines Rohmaterials schien mir meine erste Idee, einen normalen journalistischen Beitrag zu schreiben, zu einfach. Mein digezz-Beitrag sollte multimedial, narrativ sowie kreativ und experimentell sein. Nun, die Fotografien anhand meiner Impressionen zu erweitern und so eine vielfältige und spektakuläre Welt zu zeigen, war mein neues Konzept. Meine Gedanken waren: Fotografie und Sketch zu kombinieren. Der Beitrag soll erzählen und die Leute in eine neue Welt eintauchen lassen. Meine Impressionen waren die verschiedenen Welten, die aufeinander treffen. Die Pelz-Elite, die Champagner schlürft, die erfolgreichen Sportler und ich, dem normalen Fussvolk zugehörig. Und genau das ist mein Konzept: Satirische und fiktive Portraits der unterschiedlichen Stereotypen zu kreieren.

Die Umsetzung
Aus meinen Fotografien waren diese drei Stereotypen gut erkennbar. Ich suchte mir die passenden Fotografien aus und skizzierte meine Vorstellung auf Papier. Die fiktiven Portraits aus der Ich-Perspektive der jeweiligen Stereotypen zu schreiben, war für mich eine neue Herausforderung. Es hiess, Umgangssprache zu verwenden und sich in die einzelnen Personen hineinzuversetzen. So wurde mein anfänglich normaler Beitrag langsam zu einer Geschichte. Ich versuchte, meine Fotografien zusammenzusetzen und mit meinen gesammelten Eindrücken zu einem Ganzen zusammenzufügen.

Das Problem
Eine Schwierigkeit war es, alle Bilder auf das gleiche Format zu bringen und somit den richtigen Ausschnitt zu finden. Zwei Bilder hatten keinen fotografierten Hintergrund. Hier war das Problem, diese den restlichen Bildern anzupassen und so den gleichen Stil zu erhalten. Ich hatte Glück, dass ich in meinen Rohdaten passende Fotografien fand, um dieses Problem zu lösen. Gemäss Coaching sollte ich mit unterschiedlichen Stilebenen spielen. Dies war für mich eine weitere Herausforderung.

Die Lösung
Um die Proportionen und Grössenverhältnisse der Bilder einigermassen hinzubekommen, kam mir während der Umsetzung die Idee, meine Sketchs auf Transparentpapier zu erstellen. Dies hat mir bei meinem nächsten Arbeitsschritt, Fotografie und Sketch zu kombinieren, gut weitergeholfen.

Für die fiktiven Portraits musste ich von einer förmlichen Sprache wegkommen und eine passende Umgangssprache der Stereotypen annehmen. Meine Lösung: Erinnere dich an den Rennsonntag und versuche dich in die Situation dieser Menschen zu versetzen. Wieso besuchen sie das White Turf? Was sind ihre Gedanken? Was essen und trinken sie? Wie kommunizieren sie mit ihren Mitmenschen?

Das Fazit
Rückblickend kann ich sagen, dass ich mir für den nächsten Event mehr Gedanken über das definitive Konzept machen will. Die Idee sollte ausgereifter und detailierter geplant sein. Nichtsdestotrotz weiss ich, dass das Produzieren von multimedialen Inhalten ein Arbeitsprozess ist. Und somit reifen viele Ideen erst während des Arbeitsprozesses zu einem fokussierten Endprodukt aus. Doch ich denke, dass der Beitrag mit meinem Konzept, fiktive Portraits aus der Ich-Perspektive zu erzählen, für junge und medienaffine Leute funktioniert.

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