In 7 Schritten zu schönen Produktfotos

Wer selbst schon einmal damit experimentiert hat, der weiss: Produktfotografie ist nicht so einfach, wie sie auf den ersten Blick vielleicht aussieht. Kein Wunder geben Unternehmen oft kleine Vermögen aus, damit professionelle Fotografen ihre Produkte ins rechte Licht rücken. Doch ist das wirklich nötig?

Wer findet, dass er das selbst mindestens so gut hinkriegt, tut sich oftmals keinen Gefallen. Restaurants, die ihren Nüsslisalat an Honig-Vinaigrette anpreisen wollen und dabei unwillkürlich an den Verdauungsprozess von Milchkühen erinnern oder Dorfboutiquen, deren Kleiderkollektionen von der Dentalhygienikerin des Besitzers vorgeführt werden, weil diese 1984 Miss Eppenberg-Wöschnau wurde, sind dabei im Netz keine Seltenheit.

Besonders schwierig wird es aber, wenn das Produkt nicht unbedingt fotogen ist. So etwa Printprodukte, die zum Portfolio vieler Designstudios gehören. Einen Nüsslisalat kann man vielleicht vorteilhafter ablichten, aber wie macht man eine Broschüre über Altersrheuma sexy?

Nun, wer die folgenden Tipps einer Amateurin beachtet, wird zwar wahrscheinlich keine Meisterwerke erschaffen, aber hoffentlich mit etwas Übung bald Portfolio-taugliche Bilder seiner Printprodukte aufnehmen können.

Als Illustrationsbeispiel dienen Bilder, die für das australische Graphic Design Studio The View From Here realisiert wurden.

Pimp your Prints!

1. Die Vorbereitung

Obwohl dieser Schritt gerne ausgelassen wird, macht es Sinn, sich über den angestrebten Stil der Bilder Gedanken zu machen. Im Netz finden sich unzählige gute Beispiele, die als Inspiration dienen können. So lohnt sich etwa ein Abstecher auf die Seite BP&O, um sich ein Bild über die verschiedenen Möglichkeiten und Stilrichtungen zu machen.

Es stellt sich die Frage: Was passt zum Produkt? Sollen es eher saubere, einfache Bilder ohne viel Schnickschnack werden, oder könnte auch etwas Kreatives, mit zusätzlichen Farben, Mustern und Requisiten funktionieren?

Grundsätzlich gilt aber auch hier: Weniger ist mehr.

Im gezeigten Beispiel wurde der Stil dem geradlinigen und beinahe minimalistischen Design des Produktes angepasst.

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2. Das Equipment

Natürlich ist das richtige Equipment für einen professionellen Look entscheidend, trotzdem kann man auch mit etwas Improvisationskunst gute Resultate erzielen. Folgende Dinge wären von Vorteil:

  • Eine DSLR-Kamera: Im Beispiel wurde mit einer Canon 5D Mark II und einem Canon 24-105mm f4 L-Serie Objektiv gearbeitet, aber es muss sicherlich nicht zwingend so teuer sein.
  • Ein Backdrop: Die Wahl des richtigen Hintergrunds ist sehr wichtig und wird im nächsten Punkt näher erläutert.
  • Eine Fotoleuchte mit Softbox: Auch die Beleuchtung ist von grosser Bedeutung und wird in Punkt 4 wieder aufgegriffen.
  • Ein paar “Helfer”: Um den Bildern etwas Tiefe zu geben, können kleine, flache Gegenstände wie die hier abgebildeten Holzklötze verwendet werden.

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Die Holzgegenstände werden unter dem Printprodukten platziert und helfen, verschiedene Ebenen zu schaffen und dem Bild Tiefe zu geben. Die Visitenkarten und der Briefumschlag scheinen so zu schweben.

3. Der Hintergrund

Besonders beim Fotografieren von Printprodukten, die oftmals optisch nicht unbedingt auffallen, ist die Wahl des passenden Hintergrunds nicht zu unterschätzen. Wer sich dazu entscheidet, einen richtigen Backdrop zu kaufen, musst sich zuerst für ein paar Farben entscheiden. Mit einem schwarzen und einem weissen Hintergrund ist man hierbei auf der sicheren Seite und für jede Eventualität gewappnet. Alternativ ist auch ein grauer Hintergrund interessant, weil er für subtilere Kontraste sorgt und doch sauber und elegant wirkt. Auch hier ist es ratsam, sich über den Stil der Bilder Gedanken zu machen und den Hintergrund entsprechend zu wählen.

Arbeitet man statt mit einem professionellen Backdrop mit farbigem Papier als Unterlage, kann ohne grossen Aufwand experimentiert werden. Je nach Produkt kann ein Hintergrund in einer knalligen Farbe das Bild auch aufwerten. Auf lange Sicht und bei regelmässigem Gebrauch lohnt sich aber definitiv die Anschaffung eines hochwertigeren Hintergrund-Systems (siehe Bilder).

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4. Die Beleuchtung

Das richtige Licht für Produktfotos zu schaffen ist eine der grössten Herausforderungen. So sind die schlechten Beispiele, die im Netz zu finden sind, meist eine Folge schlechter Beleuchtung. Um in der Nachbearbeitung nicht alles ändern zu müssen, sollte die Positionierung der Lichtquellen mit Sorgfalt getestet werden.

Grundsätzlich gilt auch hier, dass die Beleuchtung ans Produkt angepasst werden muss. Ein flaches Objekt, wie etwa ein Flyer, sollte gleichmässig beleuchtet werden, während ein Objekt mit Reliefs oder speziellen Materialien aus zwei Richtungen beleuchtet werden sollte, um die Textur hervorzuheben.

Ein schönes Licht liefern Fotoleuchten mit Softboxen, die als Ergänzung zum Tageslicht oder als alleinige Lichtquellen verwendet werden können. Sie bilden weiche, statt harsche Schatten und bringen das Produkt zur Geltung.

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Ist man nicht im Besitz einer solchen Lampe, wird wieder Improvisationskunst gefragt. So ist es durchaus möglich, im Homestudio mit normalen Lampen zu arbeiten, und diesen selbstgemachte Softboxen aufzusetzen. Unzählige Tutorials im Netz zeigen Varianten davon, eine mögliche Lösung findet man hier.

Auch Tageslicht kann verwendet werden, wenn sich ein grosses Fenster im Raum befindet. Es ist aber wichtig, allfällige Veränderungen der Lichtverhältnisse im Auge zu behalten.
Beim Testen lohnt es sich, besonderes Augenmerk auf die Schatten zu richten. Sind sie zu lang? Verdecken sie einen Teil des Produktes? Lenken sie ab?

5. Die Kamera-Einstellungen

Davon einmal abgesehen, dass die Bilder unbedingt im RAW-Format aufgenommen werden sollten, um sie später besser bearbeiten zu können, gibt es zu diesem Punkt nicht viel zu sagen. Die Kamera-Einstellungen sind so sehr vom jeweiligen Setting beeinflusst, dass es keine allgemeinen Richtlinien geben kann. Es erklärt sich fast von selbst, dass bei einem fertig ausgeleuchteten Set die Blitzfunktion vermieden werden sollte.

Die hier gezeigten Produktfotos wurden mit Blende 8 und einer Belichtungszeit von 1/125 aufgenommen.

6. Die Komposition und Perspektive

Wenn es um Bilder von Printprodukten geht, ist Komposition das A und O. Hier entscheidet sich oftmals, ob die Produkte durch das Fotografieren auf- oder abgewertet werden.

Tipp Nr. 1: Keep it simple! 

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Gerade Linien, farbliche Abgrenzungen, Symmetrie: Was in vielen anderen Bereichen der Fotografie als langweilig angesehen werden mag, ist in der Produktfotografie oft von Vorteil. Aus einem Sammelsurium von Broschüren, Visitenkarten, Briefumschlägen, Briefpapier und Postern des Kunden wurden für dieses Bild nur verschiedene Versionen eines Info-Büchleins ausgewählt und in zwei sauberen Reihen ausgelegt. Das Ergebnis ist ein ruhiges Bild, dessen zwei Hauptfarben zur Geltung kommen, ohne sich gegenseitig im Weg zu stehen.

Tipp Nr. 2: Achte auf die Farben! 

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Obschon man mit der Trennung der Farben auf der sicheren Seite bleibt, lohnt es sich meistens, mit den Farben zu spielen. Im oberen Bild wären pro Farbe jeweils zwei verschiedene Faltblätter zur Auswahl gestanden, jedoch erwies sich die gewählte Komposition im Endresultat als harmonischer. Auch in diesem Falle gibt es keine wirkliche Regel, die das Gleichgewicht der Farben bestimmt. Es ist umso wichtiger, stets verschiedene Kompositionen auszuprobieren und, wie in diesem Fall, auch einmal etwas wegzulegen.

Tipp Nr. 3: Go macro!

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Steht man vor einer grossen Auswahl verschiedener, bunter Printprodukte, ist die Versuchung gross, möglichst viel auf einmal abbilden zu wollen. Nicht immer ist es für das Portfolio jedoch nötig, dass jedes gedruckte Produkt einzeln sichtbar wird. Wichtiger sind oftmals die Feinheiten, die das ganze Werk ausmachen und charakterisieren. Ziert ein goldenes Logo die Visitenkarte, ist eine Nahaufnahme davon interessanter als eine Gesamtansicht der Produkte. So wurde auch im oberen Bild das Logo des Kunden für einmal im Makromodus aufgenommen, um auch diese Designarbeit zu würdigen und auf die unterschiedliche Farbwahl aufmerksam zu machen.

Tipp Nr. 4: Fülle aus / schneide an!

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Eine saubere und harmonische Bildkomposition bedeutet nicht unbedingt, viel Weissraum im Bild zu lassen. Behält man eine klare Linie und achtet auf die Farbgebung, kann die Bildfläche problemlos auch ausgefüllt werden. Das obere Bild funktioniert vor allem durch die Vielzahl der abgebildeten Visitenkarten, die alleine gestellt etwas verloren gewirkt hätten.

Tipp Nr. 5: Achte auf das Gleichgewicht!

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Dieser Punkt ist nicht ganz einfach, wenn man kein geübtes Auge hat, doch für die Bildkomposition sehr wichtig. Die Anordnung der Produkte kann noch so schön sein – wenn das Gleichgewicht nicht stimmt, ist der Betrachter irritiert. Irgendetwas stimmt nicht und das Auge weiss nicht wohin. Hier ist es wieder sehr wichtig, verschiedene Anordnungen auszuprobieren und vielleicht sogar externes Feedback einzuholen.

7. Die Bilderauswahl und -bearbeitung

In der Nachbearbeitung lassen sich viele Fehler wieder korrigieren. Im Zweifelsfall ist es besser, die Bilder zu dunkel aufzunehmen und in Photoshop oder Lightroom aufzuhellen, als das Gegenteil zu versuchen. Meist sind es besonders Helligkeit und Kontraste, die angepasst werden müssen – grosse Veränderungen der Farben würden gerade im Falle der Printprodukte für verfälschte Resultate sorgen. Ist man erst einmal zufrieden mit den vorgenommenen Änderungen, empfiehlt es sich, diese auf alle Bilder der Serie anzuwenden. Unterschiedliche Bearbeitungen wirken hier eher störend und lenken ab.

Besonders wichtig ist es in diesem Schritt, Unregelmässigkeiten zu entfernen. An Printprodukten werden oft abgenutzte Ränder, Staub oder kleine Flecken sichtbar. Hier sind das Clone Stamp und das Patch-Tool in Photoshop sehr hilfreich. Mit ein paar wenigen Klicks kann man so die Oberfläche der Produkte perfektionieren.

Nimmt man sich einige dieser Ratschläge zu Herzen, steht schönen Produktfotos nichts mehr im Wege. Nun musst man nur noch schöne Produkte gestalten, aber das ist eine ganz andere Geschichte…

Kritik
von Antonella Nicoli

Idee

Im Sommer 2015 durfte ich ein zweimonatiges Praktikum in einem Graphic Design Studio in Traralgon, Australien absolvieren. Dabei sollte ich unter anderem das Portfolio aktualisieren und einige vorhandene Printprodukte fotografieren, die das Studio für die Teilnahme an einem grösseren Design-Wettbewerb einsenden wollte (eine Arbeit wurde dann auch ausgezeichnet). Die Auseinandersetzung mit der Produktfotografie und mit zahlreichen Tutorials zu diesem Thema machten mir schnell klar, dass solche Bilder für viele eine grosse Herausforderung stellen. Auch ich selbst wusste nicht, wo ich beginnen sollte, obwohl mich die Fotografie schon lange interessiert.

Ich entschied mich dafür, nach der Arbeit das Setting zu fotografieren, in der Hoffnung, die Bilder später für ein Tutorial auf Digezz verwenden zu können.

Vorbereitung

Um nicht zu subjektiv zu werden, setzte ich mich mit mehreren Tutorials auseinander und verglich die aufgelisteten Ratschläge mit meinen persönlichen Erfahrungen. Ausserdem machte ich mir während des Praktikums Notizen, um die Praxiserfahrung der Mitarbeiter miteinzubeziehen.

Umsetzung

Ich entschied mich für sieben Punkte und fasste die eigenen Notizen und Erfahrungen zusammen, um sie mit einzelnen Tipps aus verschiedenen Tutorials zu ergänzen.

Die Bilder, die ich während des Praktikums geschossen hatte, bearbeitete ich in einem ähnlichen Stil, um sie von den Produktbildern abzugrenzen.

Kritik

Tutorials, die nur aus Text und Bilder bestehen, sind selten spannend. Nur wer sich wirklich für das Thema interessiert, ist dazu bereit, ellenlange Texte darüber zu lesen. Darin sehen ich die grosse Schwäche eines solchen Beitrags auf Digezz. Trotzdem weiss ich, dass auch schon andere vor dem Problem gestanden sind, Produkte fotografieren zu müssen. Und so wie ich, wissen viele nicht, wo sie überhaupt beginnen sollen. In diesem Sinne erschien mir ein solcher Beitrag als sinnvoll, um die eigenen Erkenntnisse mit jenen zu teilen, die noch weniger erfahren sind.

Ein Video wäre vielleicht anspruchsvoller, deshalb aber nicht zwingendermassen ansprechender gewesen. Als regelmässige Konsumentin von Tutorials über Fotografie bevorzuge ich die Textvariante um Längen. Es wird auf den ersten Blick klar, worum es im jeweiligen Abschnitt geht, und man kann ohne Zeitverluste die Informationen herauspicken, die man braucht. Auch deshalb versuchte ich den Beitrag informationsreich zu gestalten, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Zu Kameraeinstellungen alleine könnte man ganze Beiträge verfassen, aber im Endeffekt sollte ein Tutorial nicht durch seine Länge abschrecken.

Ein grösseres Manko sehe ich in der Darstellung des Tutorials. Die gestalterischen Möglichkeiten auf Digezz sind beschränkt, so dass in diesem Falle selbst eine Verlinkung zu einer schön ausgestalteten Wordpress-Seite besser gewesen wäre. Vielleicht beim nächsten Mal...

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