Wenn wir unbedingt etwas erledigen sollten, kennen wir genügend Wege, es bis zum letzten Moment vor uns herzuschieben. «Nur noch rasch». Auf Social Media oder Netflix gönnen wir uns eine vermeintliche «Pause», die erst noch wunderbar die Sinne ablenkt – während wir damit beschäftigt sind, quälen uns nicht einmal mehr die Gedanken. Dafür aber gleich danach: Sobald die App geschlossen ist, merkt man, dass man mit nichts dasteht, ausser ein paar Stunden weniger Zeit. Procreate ist anders. Procreate ist eine Zeichnungs-App fürs iPad Pro. Wer nicht zeichnen kann – keine Angst! Obwohl die App von Profis verwendet wird und über zahlreiche Features verfügt, ist sie leicht zu verstehen und kann auch von vermeintlichen Kunst-Banausen genutzt werden. Den Apple Pencil braucht man jedoch, um die App sinnvoll verwenden zu können. Durch den Stift reagieren Linien sensibel auf Druck – fest gedrückt wird ein Strich dicker.
Wie also soll jetzt jemand, der nicht zeichnen kann, trotzdem seine Zeit angenehm mit dieser App vertreiben können? Mit einem Trick: dem Weiss-auf-Schwarz-Malen.
Das Vorgehen:
- Ein Schwarz-Weiss-Bild zum Abzeichnen suchen.
- Anstatt wie gewöhnlich mit Umrissen anzufangen, können jetzt Konturen und Formen über die Helligkeit erarbeitet werden:
Am Bild orientiert Helligkeitsflächen einzeichnen, angefangen bei den Grössten. (Bei einem Gesicht wäre das z. B. die Stirn.) Zu den kleineren Flächen und Details vorarbeiten. - Mit verschiedenen Pinselarten und -dicken experimentieren, um eine lebendige Textur zu erhalten und z. B. Haarstrukturen erzeugen zu können.
- Mit verschiedenen Weiss- und Grautönen spielen, um die unterschiedlichen Helligkeiten wiederzugeben.
- Wenn ein Helligkeits-Relief gelegt ist, langsam mit der Ausarbeitung der dunklen Partien beginnen. Ebenfalls zuerst wieder flächig, dann scharfe Details wie Augen, Nasenlöcher etc.
Der Vorteil dieser Methode gegenüber «klassischem» Zeichnen: Anstatt das Bild über Umrisse aufzubauen, was vielen Leuten Mühe bereitet, kann mit Flächen gearbeitet werden. Dies ist einfacher, gleichzeitig aber auch natürlicher. Kein Gegenstand hat Umrisslinien. Durch das Arbeiten mit Helligkeitsflächen wird man der dreidimensionalen Struktur besser gerecht. Schwarz-weiss wird deshalb empfohlen, weil sich Grautöne leichter ausdifferenzieren lassen als echte Farben. Selbst wenn das Ergebnis dann nicht genauso aussieht wie die Vorlage, lässt es sich allein meist trotzdem sehen.
Der Vorteil gegenüber einem normalen Blatt Papier dürfte offensichtlich sein. Während das Prinzip ähnlich ist, steigert sich die Schwierigkeit auf schwarzem Papier enorm. Radieren ist da fast unmöglich. Im Procreate hingegen lassen sich Linien einfach rückgängig machen. Zudem kann mit Ebenen gearbeitet werden – die Möglichkeiten sind endlos…
Ist die App einmal geschlossen, sind die eigentlichen Aufgaben zwar genauso wenig erledigt wie zuvor. Das Gewissen muss aber nicht mehr ganz so schlecht sein. Wenn es jetzt mit der Schule oder dem Job nicht klappt – dann ja vielleicht mit der Kunst.
(le)