Umareiseta

Der Urlaub ist zu Ende. Der graue Alltag beginnt die gewonnenen Eindrücke, die Farben, Geschmäcker und die sorgenfreie Zeit langsam zu ermatten. Die Shorts sind bald wieder unbequeme Beinkleider mit Bügelfalte und die lässig getragene Sonnenbrille wird zur leicht korrigierten Lesebrille, hinter deren Gläser müde Augen angestrengt versuchen nicht zuzufallen. Es bleibt einem nur noch das übersättigte Hintergrundbild auf dem Notebook, das Zeuge einer glücklicheren Zeit, ja einer besseren Welt zu sein scheint. Wir wussten, bereits als wir die Idee des USA-Roadtrips hatten, dass irgendwann dieser Zeitpunkt kommen würde. So taten wir alles, um uns diese Zeit multimedial in Erinnerung zu halten.

Mehr zu unserem Roadtrip auf: umareiseta.ch

Und ein kleiner Vorgeschmack:

(le)

Kritik
von Dan Führer, Kevin Wildhaber und Matteo Senn

Idee
Lässt sich das überhaupt verhindern? Dieses abrupte Zurück-in-den-Alltag-Fallen? Mit dieser Frage im Hinterkopf nahmen wir uns vor, die volle multimediale Kraft aus unserem Urlaub zu schöpfen. Wir hatten die Wahl: entweder wir planten im Vornherein alles durch, zeichnen ein Storyboard, «scouten» mögliche Drehorte über Google und erstellen ein Konzept. Oder wir machen es wie jeder halbwegs normale Mensch und geniessen den Urlaub in vollen Zügen, gehen unseren Hobbys nach, filmen und fötelen was das Zeug hält und schauen, was sich nachher daraus machen lässt. Wir entschieden uns für Letzteres. Tatsächlich ergab sich daraus erst ein richtiges Experiment. Lässt sich ein Urlaub multimedial verarbeiten? Lässt sich eine gewisse Einheit, ein gewisses Konzept finden, wenn drei verschiedene Leute mit unterschiedlichen Vorlieben, Talenten und Gerätschaften einfach ihrer Leidenschaft nachgehen und anschliessend die Ergebnisse zusammentragen? Wie viel MMP steckt in jedem von uns, wenn keine Vorgaben, keine Pläne sondern allein die Augenblicke und das Leben zählen?

Umsetzung
Was bringt man mit auf eine solche Reise? Diejenigen von uns, die bereits Erfahrungen mit dieser Art zu reisen gemacht haben, wussten sehr genau was alles ins Reisegepäck gehörte. Relevant für unser Projekt sind aber nur folgende Dinge:

Dan:
Nikon D3200
Nikon AF-S DX 18-200mm f3.5- 5.6 ED VR 2
iPhone 6
Variabler ND-Filter
Reisestativ von Rollei

Matteo:
Canon 5d Mark III
24-105mm f/4
Super tollen variablen ND Filter der HTW
iPhone 6
Stativ Marke Walmart

Kevin:
Nikon D800e
Nikkor 14-24mm f/2.8
Nikkor 24-85mm f/2.8
Nikkor 50mm f/1.4
Nikkor 70-200mm f/2.8
ND Big Stopper 72mm
ND Big Stopper 165x165mm
Nikon Funkauslöser
Manfrotto Fotostativ mit 3-Wege-Kopf
Batteriegriff
iPhone 6

Das Videomaterial wurde vorwiegend mit der Canon 5d Mark III aufgenommen. Aufgrund der «fehlenden Frames» haben wir Slow Motions mittels iPhone 6 erstellt. Wir verzichteten bei den Filmaufnahmen bewusst auf Stative oder Gimbals. Alles soll aus der Hand gefilmt werden um den leicht verwackelten, spontan wirkenden Ferien-Film-Look zu erhalten. Bei den Fotografien jedoch war das Stativ nicht wegzudenken. Was sich eventuell von der Ferienplanung des Durchschnitt-Touristen abhob, war die Tatsache, dass wir früh morgens aufbrachen um das perfekte Licht zu erwischen und bis spät in die Nacht unterwegs waren um möglichst viele Motive in möglichst spannenden Lichtverhältnissen zu filmen und zu fotografieren. Der Grossteil der Tage begann zwischen Sechs und Acht Uhr und endete weit nach Mitternacht. Der wohlverdiente Schlaf musste dann aber noch mindestens eine Stunde warten, da wir die Ausbeute des Tages auswerten wollten. Keiner von uns hätte ein Auge schliessen können ohne zu wissen ob sich die langen Fahrten, Fussmärsche und Wartezeiten gelohnt hatten. Ausserdem setzten wir uns zum Ziel täglich unter dem Hashtag #umareiseta je einen Post zum Tag auf Instagram zu veröffentlichen. Am Ende des Trips war der Kilometerstand unseres SUV’s um 3100 Meilen (ca. 5000 Kilometer höher).

Zuhause angekommen widmeten wir uns der konzentrierten Verarbeitung unseres Materials. Da wir während dieser zweieinhalb Wochen ständig zusammen waren und sämtliche Ausflüge zusammen unternommen haben, waren unsere Fotografien zumindest was das Sujet anging oft sehr ähnlich. Daher sollten unsere Fotografien einen individuellen Look bekommen.

Statements

Dan:
Für mich steht das Beobachten im Zentrum, sich Zeit nehmen ein Motiv auszuwählen und sich dann solange damit beschäftigen, bis das Bild, welches ich bereits im Kopf habe, abgelichtet wurde. Dies kann manchmal zwei und mehr Stunden in Anspruch nehmen. Zuerst beginne ich mit dem passenden Ausschnitt. Ist der gefunden, beginnt das Warten auf die richtige Lichtsituation. Selbstverständlich geht dies einher mit der richtigen Einstellungen auf der Kamera. Da wären wir auch schon bei meinem grössten Problem, der Nikon D3200. Eine Kamera für totale Neueinsteiger im Bereich der Fotografie. Ich hatte mich für diese entschieden, da mir das nötige Kleingeld für ein besseres Modell fehlte. Klar, die Kamera macht nicht den Fotografen, aber vor allem in der Nacht oder in nicht so lichtstarken Momenten (Antelope Canyon), wäre eine Kamera mit höherer Lichtempfindlichkeit schon angenehm gewesen (das Bildrauschen soll schon zu Augenschmerzen geführt haben). Also mehr als ISO 100 ging nicht, daher musste ich halt improvisieren. Mehr mit der Blende und der Belichtungszeit arbeiten. Dann hatte ich noch ein schönes kleines Reisestativ, sehr instabil, daher habe ich auch viel vom Autodach fotografiert und Kevin musste das Auto so parkieren, dass ich so mein gewünschten Motiv trotzdem festhalten konnte. Zum Glück hatte ich noch einen Fernauslöser, so sind selbst die Bilder, welche eine lange Belichtungszeit erforderten, nicht verwackelt. Es war aber jedesmal ein kleiner Nervenkitzel (vor allem bei Wind). Bei der Nachbearbeitung der Bilder, welche ich selbstverständlich in RAW fotografiert habe, achte ich darauf die Farben möglichst naturgetreu wiederzugeben.

Matteo:
Was schönes sehen, wie wild herumschwirren, den richtigen Moment am Schluss aber doch verpassen. So sahen meine ersten Monate aus, als ich mit dem Fotografieren begann. Ich habe einem Kollegen einmal gesagt, dass Fotografieren einfacher sei als Filmen. Heute sehe ich dies ganz anders. Den richtigen Moment in einem einzelnen Frame festzuhalten ist wohl genau so anspruchsvoll, wie Frames aneinanderzureihen um damit audiovisuelle Geschichten zu erzählen. Die grössere Anzahl an Frames bietet zwar mehr Angriffsfläche für Fehler, aber eben auch die Möglichkeit, ein nicht gelungenes Bild mit dem Nächsten vergessen zu machen. Die Fotografiekunst hat mir gelernt, dass sich nicht jedes Naturwunder in einem Bild verewigen lässt und dies oft so zu akzeptieren ist. Gelingt die Aufnahme nicht wie gewollt, kann der Moment auch ohne den Schnappschuss genossen und aus den Situationen und den sich ändernden Lichtverhältnissen für ein nächstes Bild gelernt werden. Wenn ein einzelnes Frame die gleiche Geschichte erzählen kann, wie eine zehn-sekündliche Filmsequenz, ja dann hat man das Wunder der Fotografie kennengelernt und weiss die Kenntnisse anzuwenden.

Denn das Fotografieren öffnet auch einen neuen Sinn. Sich die Zeit nehmen, ein noch so kleines Detail der Welt zu fotografieren. Die Augen öffnen und somit die Welt in einer ganz anderen Perspektive sehen. In den Himmel schauen und Dinge sehen, die ein „Fotografie-Muggle“ nicht sieht und nicht kennt.

Ich habe meine Fotos mit der Canon 5d Mark III aufgenommen. Dazu verwendete ich das Standardobjektiv mit 24-105mm (Blende 4). Oft fotografiere ich mit einem ND Filter. Die Strukturen die in den Fels, aber auch in den Himmel durch den Graufilter gesetzt werden, gefallen mir sehr gut. Meine Kollegen nehmen mich oft auf die Schippe, da der ND Filter wohl mein allerliebstes Stück ist. Ich habe die Standardlinse verwendet, da sie für Film sowie Foto gut geeignet ist und ich so allzeit einsatzbereit war. Die Langzeitbelichtungen habe ich jeweils mittels Funkauslöser und dem Timer des iPhone 6 gemacht (bulb-mode). Den Vordergrund habe ich in der blauen Stunde fotografiert. Danach den Sternenhimmel als es ganz dunkel war. Im Photoshop habe ich diese beiden Layers als Ein zusammengefügt. Bearbeitet habe ich jeweils das RAW Foto und dies in Camera Raw. Ich achtete bewusst darauf, dass ich die Sättigung tief hielt und die „clarity“ nur soweit ergänzte, dass das Foto nicht unnatürlich wirkte. Insgesamt habe ich an meinen Fotos sehr wenig colorgrading vorgenommen und sie naturtreu gelassen. Es sollten ja Reisefotos entstehen, die den Ort wahrheitsgetreu widerspiegeln.

Kevin:
Seit ich mit einer 14mm Linse fotografiere, was schätzungsweise seit bald vier Jahren ist, habe ich die Weite als mein Ding erkannt. Dieser starke Weitwinkel wirkt bei Landschaften recht natürlich. Obwohl er die Sicht des Menschen bei weitem übersteigt, empfindet man die Weite in der Natur als normal. Kommt es aber zur «täglichen» Fotografie mit Reportage- oder, wie hier, «Ferienfoto»-Charakter, ermöglicht die kurze Brennweite neue Perspektiven. Gerade bei solchen Bildern bevorzuge ich Personen oder andere bekannte Objekte/Merkmale wie z.B Autos oder Häuser im Bild, damit der Betrachter einen Anhaltspunkt für die Relationen für den restlichen Bildinhalt hat. Eine meiner Ansicht nach sehr «spannende Schwierigkeit» mit dem Weitwinkel ist die verzerrte Perspektive. Sie kann ein Bild zerstören oder das gewisse Etwas sein, das anderen Bildern fehlt. Auf diesem schmalen Grad zu tanzen, macht, so glaube ich, einen Teil meiner Bilder aus. Im Positiven wie im Negativen. Manchmal klappt es, manchmal nicht. Weiter fotografiere ich meine Motive so, dass sie gemäss der Drittel-Regel angeordnet sind. Rundherum lasse ich möglichst viel Platz um das Bild im Editing möglichst im goldenen Schnitt zu gestalten. Die Ausnahme bestätigt aber auch hier die Regel. Für diese Serie wollte ich einen matten, entsättigten, eher dunklen und leicht kühlen Bildlook kreieren. Dazu habe ich die Raw-Bilder in Camera Raw (CR) entwickelt, ohne eine bestimmte Richtung im Look zu verfolgen. In diesem Schritt ging es allein darum, das Bild möglichst realitätsnah aussehen zu lassen. Im Photoshop (PS) habe ich anschliessend die Hintergrundebene kopiert, ein Color-Lookup erstellt und es mittels Blending Mode Lighten auf die darunterliegende Ebene angewendet. Je nach Bild musste ich die Deckkraft der Ebene reduzieren. Bsp. Opacity auf 70%. Durch diesen Effekt wirkt der Nachthimmel dunkler und gleichmässiger. Lichtquellen geraten in den Fokus und spielen eine bedeutendere Rolle.




Herausforderungen

Herausforderungen
Einmal abgesehen von den finanziellen Herausforderungen, die eine solche Reise an drei Vollzeitstudenten stellt, hielten sich diese in Grenzen. Aufgrund dessen stellten wir uns selbst welche. Vor allem beim Film gab es die eine oder andere Hürde zu nehmen. Wir stellten uns schon vor der Reise vor einen Film zu drehen, der entfernt an «Watchtower of Turkey» (https://vimeo.com/108018156) anlehnt. Entsprechend schwierig gestaltete sich die Post. Wir fanden und fanden einfach nicht den richtigen Schnittrhythmus. Wir mussten die ganze Geschichte etwas sacken lassen. Und dann, einige Wochen später, fiel es uns wie Schuppen von den Augen. Es entstand die finale Version. Unterwegs begegneten wir ganz anderen Schwierigkeiten. Neben der allgegenwärtigen Befürchtung auf Bären, Pumas, Schlangen oder Skorpione zu stossen unterschätzten wir die Auswirkungen der brennenden Hitze und der Trockenheit mehr als einmal. Überraschenderweise führten die langen Tage und der wenige Schlaf zu einem «Total-Anschiss». Es gab Tage, da musste man sich richtig überwinden, die Kamera in die Hand zu nehmen und zu filmen und zu fotografieren. Vor allem wenn es darum ging die ganze Ausrüstung auf einer Wanderung mitzuschleppen. Als wir wieder zurück in der Schweiz waren, brauchte jeder von uns eine kreative Pause. Es gestaltete sich auch ausserordentlich schwierig, Szenen zu fotografieren da bei den bekannten Destinationen die totale Überfüllung herrschte. Dies zwang uns teilweise zu Diskussionen und teilweise einfach bis tief in die Nacht zu bleiben.

Fazit
Trotz der Bemühungen und Anstrengungen kam der Alltag zurück. Klar. Ein ungeahnt positiver Aspekt resultierte aber aus der Verarbeitung unserer Ferien für Digezz. So hatten wir die Möglichkeit uns bis Januar 2017 regelmässig mit dem Sommer 2016 zu beschäftigen. Unsere Fragen haben sich grundsätzlich mit Ja beantwortet. Es ist möglich und zu einem gewissen Teil lebt die Reise in uns weiter, gerade weil wir sie in Bild und Ton immer und immer wieder geniessen können. Die Bereitschaft die Kamera zu zücken ist gestiegen. Unsere Fähigkeiten haben von intensiven zweieinhalb Wochen Foto- und Filmdrill nur profitiert.

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