Wie man eine Party zu Zeiten einer Pandemie veranstaltet

Vielen Menschen fehlen momentan Kultur und Freiheit. Zu Zeiten einer wütenden Pandemie muss ausgehen und Party machen mit äusserster Vorsicht genossen werden. Ganz darauf verzichten wollen wir jedoch nicht. Um schöne Gefühle und blinkendes Licht verbreiten zu können, hat meine rund zehnköpfige WG am Waffenweg im Berner Breitsch-Quartier am Samstag 21.03.2020 etwas ganz Besonderes auf die Beine gestellt.


Hintergründe, Spielregeln und Kommunikation
Ich lebe in einem grossen Block im Breitenrain-Quartier. Bei uns gibt es diverse kleine Wohnungen, die alle zusammen als eine grosse WG funktionieren. Die Anzahl der Bewohner*innen variiert von Zeit zu Zeit. Im Moment sind wir rund zehn Personen.

Vier von uns arbeiten regelmässig im Nachtleben, umso mehr fehlt uns also das Ausgehen, die Musik und die Freiheit. Wir können auf viel Erfahrung zurückgreifen, Situationen gut einschätzen und sind darin geübt, Veranstaltungen sauber über die Bühne zu bringen.

Schon kurz nach der Ausgangssperre im März fing es bei uns im Haus an, zu brodeln. Als ich Freitag Morgen aufwachte, war ich schlecht gelaunt und wusste nicht, was ich mit dem Tag anstellen sollte. Spontan entschied ich mich dazu, dass es dieses Wochenende eine Party bei uns geben musste.

Meine Mitbewohner*innen waren sofort von der Idee überzeugt und das notwendige Equipment noch am selben Tag bei uns. Wir bestimmten alle Rahmenbedingungen und am Samstag ab 10 Uhr fingen wir mit den Aufbau-Arbeiten an.

Alle bleiben in ihren Wohnungen
Die Rahmenbedingungen dieses Raves wurden von uns kollektiv klar definiert: Niemand von ausserhalb darf ins Haus, Bewohner*innen ohne eigenen Balkon sind die einzigen, die sich unten beim Sitzplatz aufhalten sollten und das vermieden werden muss, dass sich Menschen auf der Strasse vor dem Haus ansammeln.

Wir haben unsere Nachbarschaft mit Flyern an den Haustüren informiert, dass ab 18:00 Uhr bis open End getanzt werden kann.

Flyer an den Haustüren in unserer Nachbarschaft
In der Nachbarschaft hatten (fast) alle Freude
Wir erfuhren sehr positive Reaktionen aus unserer Nachbarschaft. Ein Paar gegenüber von uns hat ein Transparent gemalt, auf dem sie sich bei uns bedankten. Diverse Balkone wurden mit Lichterketten geschmückt und ich erhielt diverse Dankes-SMS von fremden Menschen, denen es gut tat, sich wieder einmal mit etwas anderem zu beschäftigen als dem Virus.

Leider gab es halt auch Leute, denen es nicht so gepasst hat. Die Polizei kam zweimal wegen Lärmklagen vorbei. Um 20:30 war dann finito, wir mussten die Musik ausschalten.

Tosender Beifall, Gepfeife und Gutenacht-Wünsche, die durch die ganze Strasse schallten, endeten den Abend.

Mediales Echo
Wir kamen mit unserer Aktion gleich zweimal in dem Medien. Einmal auf Bluewin.ch und einmal auf Radio 3Fach.

(hil)

Kritik
von Manuel Schneider

Planung Event
Das ganze Ding entstand ziemlich spontan. Ich bin am Freitag morgen mit einem unzufriedenen Gefühl aufgewacht. Noch im Bett liegend habe ich meinen guten Freund Delano angerufen und ihm gesagt, dass ich auf meinem Balkon einen Rave machen will. Wir sind beide in der Berner Kultur- und Party-Szene tätig, von daher war die organisation den nötigen Equipments nicht so schwierig. Am späten Freitag nachmittag standen in meinem Zimmer 4 Discokugeln, eine Rauchmaschine, zwei Aktiv-Tops (Lautsprecher), zwei CDJ's (DJ-Equipment), ein Mischpult, vier Spot-Belichtungen und diverses weiteres Zeugs.

Nicoletta, unsere Nachbarin von nebenan, hatte sich bereit erklärt, einen Flyer zu gestalten, auf dem die von uns bestimmten Infos vorhanden waren. Sven und Dara haben ein grosses Transparent gezeichnet und aufgehängt. Danach mussten wir nur noch unseren Eingang zur Strasse absperren. Danach konnte es eigentlich schon losgehen.

Alles in allem verlief die Planung sehr gut. Sicherlich nicht zuletzt weil mehrere von uns Erfahrung mit dem aufgleisen und durchführen von Events haben.

Planung Video
Mir war klar, dass ich etwas neues ausprobieren will. Da ich eh kein Audio-Equipment zur Hand hatte, entschied ich mich, ein Video im Stop-Motion-Style zu machen. Ich habe mich ein bisschen schlau gemacht, wie viele FPS ich ungefähr anzielen will. Mein Ziel war es ungefähr mit 12-15 FPS zu arbeiten - also so Handgelenk x Pi.

Daraus schloss ich, dass ich immer mindestens 20 Bilder pro Einstellung schiessen musste, damit die einzelnen Einstellungen lange genug wirken können.

Durchführung Event
Pünktlich um 18:00 Uhr eröffneten wir einen Zoom-Chatroom und drückten auf die Play-Taste. Mani Matter kam die Ehre zu, unseren Tanz mit seinem Song "Zündhölzli" zu eröffnen. Ein passendes Lied, da es in einem Weltkrieg, mit der Auslöschung der gesamten Menschheit gipfelt, würde er nicht schnell genug reagieren und das Zündhözli vom Teppich nehmen.

Wir konnten alle unbeschwert tanzen, bis um ca. 19:30 Uhr zum ersten mal zwei Polizisten auftauchten. Nicola, einer meiner Mitbewohner, übernahm die Aufgabe mit ihnen verhandeln zu gehen.

Die zwei Polizisten schienen unserem Ding gegenüber sehr wohlwollend. Sie baten uns, die Musik ein bisschen leiser zu stellen und um 22:00 Uhr dann die Nachtruhe zu respektieren.
Dies erschien uns allen natürlich als faire Abmachung, Freipass bis 22:00 Uhr, danach dafür fertig.

Leider schien die Berner Polizei-Zentrale nicht einverstanden mit der Abmachung, die wir mit den beiden Streifen-Polizisten trafen: Um ca. 20:30 Uhr kamen sie zurück, diesmal zu sechst.

Sie zwangen uns einigermassen höflich, die Musik auszuschalten. Dies taten wir dann auch - unter tosendem Beifall aller anwesenden Anwohner*innen.

Dokumentation Event
Die Aufnahmen zu machen klappte sehr gut, jedes mal wenn etwas passierte, oder die Szenerie wechselte, hielt ich dies fest. Zwischenzeitlich übernahm meine Mitbewohnerin Fabienne die Kamera und hielt noch ein paar Dinge fest, die ich sonst verpasst hätte.

Schlussendlich befanden sich auf meiner Kamera rund 1'200 Fotos von dem Abend. Ich schätze, dass rund 650 davon schlussendlich im Video landeten.

Data Wrangling
Der mühsamste Teil des Projektes bestand darin, alle Fotos so aufzuarbeiten, resp. in Premiere Pro so abzulegen, dass der kreativ-Prozess möglich wurde.

Ich habe also angefangen, alle Fotos von der SD-Karte auf meinen PC abzulegen. Danach traf ich eine Vorauswahl der passenden Sequenzen. Die Fotos der passenden Sequenzen legte ich alle in einen nummerierten und mit Namen versehenen Unterordner ab. Davon entstanden total 33.

Ich hatte nun also 33 Ordner mit je ca. 10-25 Fotos. Total waren es 750 Fotos. Jeden dieser Sequenz-Ordner importierte ich in Premiere Pro.

Zu jedem Sequenz-Ordner eröffnete ich nun eine neue Sequenz mit dem selben Namen im Premiere Pro. Auf die Timelines dieser Sequenzen zog ich nun die Fotos mit einer länge von je 3 Frames, bei 25 FPS des Gesamtprojekts.

Editing
Das Editing war dann ziemlich easy. Ein bisschen logische Struktur hier, ein bisschen Kill your darlings da... wies halt so läuft.

Das einzige was ich wirklich schwierig fand, war passende Musik auf Artlist.io zu finden. Mit meiner Auswahl bin ich zufrieden, hätte aber lieber mit anderer Musik gearbeitet.

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