Adieu Publifon

Wann hast du das letzte Mal ein öffentliches Telefon benutzt? Oder hast du überhaupt einmal ein Publifon genutzt? Nein? Dann hast du deine Chance verpasst.

Einst war das öffentliche Telefon, auch als Publifon bezeichnet, nicht wegzudenken. Das erste Publifon wurde ab 1881 in Zürich in Betrieb genommen, zur Blütezeit Mitte der 90er-Jahre waren in der Schweiz mehr als 58’000 Telefonkabinen in Gebrauch. Heute sind bereits 90 Prozent aller Kabinen verschwunden. Und die Swisscom hat gemeinsam mit dem Bundesrat entschieden, die Publifone aus der Grundversorgung zu streichen und die verbliebenen Kabinen im kommenden Jahr abzubauen.

Auch in Chur haben die Telefonkabinen ab 2019 daher keine Zukunft mehr. Denn die Telefone sind bereits entfernt worden, die Leitungen gekappt. Nur die Boxen stehen noch. Anlass genug, diesen Ikonen ein zweites, wenn auch kurzes Leben zu schenken! So hat der Churer Künstler-Verein Kabinett der Visionäre zur Umgestaltung der leerstehenden Kabinen aufgerufen.

Ob interaktiver Raum mit Memory oder Activity, ein goldenes Memorial oder ein Riesen-iPhone: in der Alpenstadt gibt es in den kommenden Monaten einige kleine Überraschungen zu entdecken.

Die Galerie zeigt eine von uns umgestaltete Kabine:

Zum Making-Of geht es hier.

(fms)

Kritik
von Manuela Furger und Lorena Strub

Die Idee

Wieso ein Riesen-Smartphone? Ganz einfach, das Smartphone ist schuld am Verschwinden der Telefonkabinen. Wir wollten zudem einige der Techniken und Tipps anwenden, welche wir im Inszenierungs-Workshop des von uns belegten Minors Event-Inszenierung erlernt haben. Ein einfaches, aber wirkungsvolles Gestaltungselement ist die Änderung der Dimensionen eines bekannten Gegenstands, oder eben: Ein Telefonkabinen-grosses iPhone.

Vorbereitung

Wir verbrachten einige Zeit mit der Ideenfindung, als wir uns auf das Riesen-Smartphone geeinigt hatten, begannen wir, die verschiedenen Materialien zusammenzutragen und die Umwandlung detailliert zu planen. Als erstes mussten wir die Kabine ausmessen, um die Icon-Grösse zu berechnen. Wir verbrachten dann rund eineinhalb Tage mit dem Erstellen der App-Icons, welche wir in Photoshop spiegelten, auf A4 ausdruckten und dann mit Fensterfarben nachzeichneten.
Weiter beschlossen wir, die ganze Umwandlung auf einfache Weise in einem kurzen Stop-Motion-Clip zu porträtieren. Dafür kauften wir uns die App Stop Motion Studio, welche das Editieren auf dem Smartphone erlaubt.

Umwandlung

Die Umgestaltung der Kabine nahm insgesamt einen Arbeitstag in Anspruch. Als erstes mussten der Innenraum sowie die Fenster gereinigt werden, um dann die Swisscom-Aufkleber mit dem Schaber entfernen zu können. Dann klebten wir die Türe mit Zeitungspapier ab und begannen die Seitenwände zu sprayen. Wir merkten relativ schnell, dass eine Dose nicht ausreichte..! Daraufhin kauften wir vier weitere Dosen im Baumarkt und sprayten sogar das Dach. Weil die Farbe schnell trocken war, konnten wir rasch mit dem Aufkleben der Icons beginnen. Dafür war etwas Augenmass gefragt. Details, wie zum Beispiel das Batteriezeichen oder die Zeit, trugen wir mit einem Fensterstift auf. Als Hintergrund hängten wir einen grossen Papierbogen auf, den uns netterweise eine Druckerei umsonst gab.

Reaktionen

Im Verlaufe des Tages zog unser Treiben immer wieder neugierige Blicke auf sich. Ein Kind auf dem Heimweg fragte uns, ob wir das denn dürften, ein älterer Herr schüttelte ungläubig den Kopf, als wir ihm erzählten, dass 2019 alle Kabinen in Chur verschwinden werden. Zwei Mitglieder des KdV (Kabinett der Visionäre) kamen ebenfalls vorbei und gaben uns ein paar hilfreiche Tipps. Am Langen Samstag in Chur wurden Führungen entlang der verschiedenen Kabinen gemacht, wobei unsere positive Reaktionen hervorrief.

Kritik und Learnings

Die Umsetzung dieses Projekts hat uns echt Spass bereitet. Wir konnten unserer Kreativität freien Lauf lassen und einfach mal basteln. Wir finden, dass sich das Resultat sehen lässt. Beziehungsweise liess. Denn als wir drei Tage später die Kabine mit der Spiegelreflexkamera fotografieren wollten, merkten wir, dass jemand drei Apps entfernt hatte und das Hintergrundpapier heruntergerissen war. Schade! Daraus haben wir gelernt, dass ein Projekt im öffentlichen Raum immer sofort dokumentiert werden muss.


Hier war die Kabine noch ganz...

Obwohl zeitlich alles gut aufging, hätten wir rückblickend noch etwas besser planen können. Hätte zum Beispiel das Wetter nicht mitgespielt, wäre es um einiges mühsamer geworden (die Deadline war am Langen Samstag). Materialmässig haben wir über 100 Franken ausgegeben, womit wir nicht wirklich gerechnet hätten.

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