Alles gratis!

Alles gratis!

Die Republik ist eine journalistische Plattform, die sich vorgenommen hat, werbefrei zu funktionieren. Deshalb finanziert sie sich ausschliesslich durch Abonnenten, die bereit sind, für Inhalte zu bezahlen. Gleichzeitig kann man die Artikel aber mit seinen Freunden via Social Media teilen. Dann sollte es doch möglich sein, die sozialen Medien mit einem Bot nach Republik-Links zu durchsuchen und diese für alle verfügbar zu machen?

Herausforderungen angenommen…

..und etwas später auch erfüllt. Und zwar einfacher als gedacht. Auf dieser Seite könnt ihr praktisch alle Republik-Artikel gratis konsumieren. Viel Spass.

Aber halt. Wenn es jetzt eine Website gibt, die Links der Republik aus dem Internet fischt und diese sammelt und somit sämtliche Inhalte frei zugänglich macht, ist das dann fies? Ist das dann illegal? Kann man es moralisch rechtfertigen? Und spielen diese Fragen überhaupt eine Rolle?

Bei dieser Website geht es nicht darum, der Republik ans Bein zu pinkeln. In erster Linie ist sie ein Programmier-Experiment und folgt so dem Credo vieler Programmierer. Es geht nicht darum, Böses zu tun. Es geht darum zu sehen, ob es funktioniert.

Technisch gesehen hat es funktioniert, ob es sich moralisch rechtfertigen lässt, ist die andere Frage. Was bedeutet das für die Gesellschaft? Was heisst das für die  Medienlandschaft? Sollten Informationen denn nicht frei zugänglich sein? Und sollte nicht genau das im Interesse des Journalismus sein? Unabhängig, objektiv, informierend. Journalismus gilt als die vierte Gewalt, die zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen soll. Doch wie soll eine allgemeine Meinungsbildung stattfinden, wenn Informationen nur durch Geld «freigeschaltet» werden können? Diese Paywall separiert die Gesellschaft und macht Artikel nur Menschen zugänglich, die in der Lage sind, Geld dafür zu bezahlen. Ist dies nicht der Fall, so bleiben die Informationen grundsätzlich verwehrt. So ist eine allgemeine Informierung der Gesellschaft unmöglich und Menschen mit niedrigem Einkommen werden gezwungen, Informationen aus Gratiszeitungen und dem Internet zu beziehen. Hierbei herrschen aber grosse Unsicherheiten bezüglich Wahrheitsgehalt und Akkuratesse. Zieht ein derartiges Bezahlungssystem also eine Schneise in unsere Gesellschaft? Klar, ein Zeitungsabo kostet nicht alle Welt und wird wohl für die meisten Personen in der Schweiz ohne Probleme erschwinglich sein.  Es bleibt aber die prinzipielle Frage: Wieso wird ein Gut wie Information hinter verschlossenen Türen gehalten und nur gegen Geld herausgerückt, wenn es doch der Sache nach für die Allgemeinheit bestimmt ist? Ist das denn nicht die Motivation von Journalismus?

Verständlich ist, dass Journalismus vom Staat getrennt und unabhängig agieren können muss. Verständlich ist auch, dass Journalismus eine Berufsgattung ist und Menschen von dieser Arbeit leben können müssen, ergo irgendwie entlohnt werden müssen. Verständlich ist auch, dass weder die Republik noch eine andere Zeitung der Schweiz die Medienwelt neu erfinden können. Es bleibt aber die Frage, ob wir das Mediensystem vielleicht noch radikaler hinterfragen müssen, um ein nachhaltiges Zukunftsmodell für den Journalismus zu finden. Und nein, diese Website ist vorerst auch keine Lösung für diese Problematik. Aber wir haben immerhin einmal darüber nachgedacht. Und du?

(lhu)

Kritik
von Pascal Albisser und Giulia Merki

Technisches

Was die technische Seite betrifft, besteht das Experiment aus zwei Seiten: Dem Scraper und der Webseite mit den Links. Die Webseite ist eine einfache React-Webapp, welche die gesammelten Links aus der Firestore-Datenbank nach und nach ausliest und darstellt. Einfach weil mein professionelles Ich, das ab und zu Stelleninserate liest, mal React & Firestore ausprobieren wollte. Soweit, so simpel.

Etwas komplizierter ist der Scraper. Ein Scraper ist ein Programm, das Informationen aus einer beliebigen Quelle sammelt. Nach einer kurzen Analyse stellte sich heraus, dass in diesem Fall Twitter die einfachste Quelle ist, um nach Links auf Republik-Artikel zu suchen. Etwas Arbeit abgenommen hat mir eine kleine Node.js-Bibliothek mit dem Namen scrapeTwitter. Mit ihr konnte ich ohne mühsames Registrieren, API-Key, etc. den Kurznachrichtendienst durchsuchen. Sie hat mir sogar die Links in einem Tweet separat angegeben. So musste ich mit Javascript nur die Resultate noch etwas filtern, nach meinem Gusto formatieren, Duplikate verhindern und sie in die Firebase-Datenbank speichern. Entgegen gekommen ist mir natürlich die formidable URL-Struktur der Republik-Artikel: www.republik.ch/Jahr/Monat/Tag/Titel-mit-Bindestrichen

Moralisches

Der Text fragt sich ja schon selber, wie okay diese Sache ist. Und wir glauben beide an guten Journalismus und an die Relevanz von eben dessen. Wir wollen doch guten Journalismus, können wir uns also derart gegen ihn stellen? Um den Text zu schreiben mussten wir uns also sehr mit unserem eigenen Bezug zu Journalismus, geistigem Eigentum und richtig und falsch auseinandersetzen. Was können wir verantworten? Und was müssen wir verantworten, um die Menschen zum Nachdenken zu bringen? Vielleicht dient ja eben diese Seite dazu, dass sich jetzt ein Mensch mehr Gedanken über diese Thematik macht? Aber ob sich mehr Menschen Gedanken zum Thema machen, als einfach zu denken 'geil, alles gratis' bleibt dabei fragwürdig.

Am Ende war es vor allem ein Programmier-Experiment, aber dennoch hallt die Thematik in unseren Köpfen nach. Wissen tun wir nämlich nicht, ob das jetzt okay ist. Wir haben uns viele Gedanken darüber gemacht und mehr können wir irgendwie auch nicht tun. Den Entscheid, diesen Beitrag jetzt abzuschicken ist dementsprechend schwer. Aber wir haben gut darüber nachgedacht. Wir glauben, es ist okay.

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