journey untold

Journey Untold

Das Wort Flüchtling ist momentan in aller Munde. Ein Begriff, der alle Fliehenden einschliesst. Unpersönlich, unemotional. Doch was geschieht, wenn man sich mit der Geschichte eines Individuums befasst?

In unserem Projekt haben wir eine Mutter interviewt, die aus Afghanistan floh. Sie lebt in der Schweiz mit der Aufenthaltsbewilligung F und hofft auf eine definitive Aufnahme. Wir haben ihrer Geschichte Gehör geschenkt und sind darauf eingegangen: Von ihrem Leben in Afghanistan über ihre Flucht mit ihren Kindern bis hin zu ihrem jetzigen Dasein in der Schweiz. Die Erzählung haben wir visualisiert und in einem interaktiven Comic dargestellt. Während das Thema bereits oft aufgegriffen wurde, soll mit dieser Darstellungsweise ein neuer, persönlicherer Kontakt mit dieser Problematik geschaffen werden. Zum Comic geht’s hier: Journey Untold.

(ae)

Kritik
von Gino Knöpfel, Irem Bilen, Joanne Urwyler und Ricardo Fariña Mora

Kontaktaufnahme & Planung
Unser ursprünglicher Plan war es, drei bis vier Flüchtlinge zu interviewen und ihre Geschichte als interaktiven Comic darzustellen. Dabei wollten wir von jedem Befragten einer dieser Lebensabschnitte darstellen:

  • Wie war das Leben in deinem Land und warum bist du geflüchtet?
  • Wie erging es dir auf der Flucht?
  • Wie ist das Leben oder der Aufenthalt in der Schweiz?
  • Wie sieht die Zukunft aus? (vor allem spannend für diejenigen, die bereits Asyl erhalten haben)

Wir mussten viele Kontakte knüpfen und Anfragen versenden, um an die Flüchtlinge heranzukommen. Es stellte sich heraus, dass der Kontakt zu Flüchtenden über unbekannte Drittpersonen schier unmöglich war. Wir erhielten viele Absagen und oft auch gar keine Antwort. Aufgrund von Verbindungen, sprich Dritten, trafen wir uns jedoch anschliessend mit mehreren Asylsuchenden vor ihrem Heim. Danach durften wir bei einer afghanischen Familie zu Hause drei Interviews führen: Eines mit der Mutter der Familie, bei dem ihr Bruder dolmetschte und zwei mit Asylsuchenden aus Afrika.

Das erste Interview mit einem jungen Mann aus Afrika war sehr holprig. Der Befragte sprach schlechter Deutsch als erwartet, wodurch seine Geschichte nicht sehr spannend oder schlüssig wurde. Das hätten wir im Voraus genauer abklären müssen.

Im zweiten Interview fiel es der Mutter zu Beginn sehr schwer, sich zu öffnen. Sie wusste nicht genau, worum es ging, und sie bestand darauf, dass man ihr Gesicht nicht sehen durfte. Auch in diesem Fall bestand aufgrund der verschiedenen Nationalitäten ein grosses Verständigungsproblem. Lediglich durch viel Geduld und Verständnis war es uns gelungen, dass sie sich uns öffnete. Das Interview war nicht einfach, da sie noch einmal die schrecklichen Dinge durchleben musste, und wir dann spontan entscheiden mussten, wie weit wir noch darauf eingehen wollten.

Das dritte Interview kam gar nicht zustande, weil uns die Person kurz vorher absagte. Sie hätte einen wichtigen, kurzfristigen Termin gehabt. Nach der zweiten Befragung war uns jedoch klar, dass wir das darauffolgende Interview gar nicht mehr benötigen würden.

Nach den neuen Ergebnissen waren wir uns einig, dass wir lediglich die Geschichte der afghanischen Mutter in die vier Lebensabschnitte aufteilen würden. Zum einen erleichterte es die Weiterarbeit massiv, da wir ansonsten über drei Stunden Material hätten auswerten müssen. Zum anderen baut das Erzählen des Schicksals eines einzelnen Menschen eine viel stärkere emotionale Bindung zur Person auf, was letzten Endes unser Ziel war.

Audio - Recording
Beim Interview waren, wie erwähnt, die afghanische Frau und ihr Bruder als Dolmetscher anwesend. Um beide Stimmen möglichst separat voneinander aufzunehmen, haben wir ein Richtmikrofon sowie ein Lavalier-Mikrofon mitgenommen. Das Aufnehmen ging mit unerwarteten Nebenfaktoren einher: Die Wände des Hauses, in dem wir aufgenommen haben, waren dünn und die Heizung gab störende Hintergrundgeräusche von sich. Wenn möglich sollte der Raum, in dem aufgenommen wird, möglichst selbst gewählt bzw. gestaltet werden.

Das Deutsch sowie die Aufnahmequalität des Bruders waren insgesamt passabel. Aus diesem Grund haben wir eine Sprecherin aufgesucht, deren Stimme erfahren klingen sollte, um der Geschichte gerecht zu werden. Auf diese Weise konnten wir den Aufnahmeraum selber gestalten.

Audio – Mixing
Aufgrund der soeben erwähnten Nebengeräusche waren wir gezwungen, Plugins zu verwenden, um ein angenehmes Ergebnis zu erreichen. Das erschwerte nicht nur allfällige Änderungen, sondern verlängerte ebenfalls die Exportzeit.

Visuelle Umsetzung
Wie sollte unser Comic eigentlich aussehen? Welchen Stil sollte er haben? Was war zeit- und aufwandtechnisch die beste Lösung? Um all diese Frage zu beantworten, brauchte es vor allem eines: Geduld. Denn uns war klar, dass wir uns nicht über Nacht einig werden würden, welche Richtung wir einschlagen sollten. Es war letzten Endes ein langwieriger Prozess, der uns aber allen Spass bereitete und bis zum Schluss spannend blieb.

Es fing schon bei der Farbwahl an. Wollten wir ein klassisches Schwarz-Weiss-Comic oder doch lieber einige Farbakzente setzen? Das Resultat war dann eine Mischung aus beidem. Jedes Bild besteht schlussendlich aus Konturen und Flächen. Entweder sind diese weiss oder rot. Wir entschieden uns für Rot wegen des Kontrasts und auch aus stilistischen Gründen, da wir eine lebendige und – der Geschichte entsprechend – bedrohliche Farbe für die Richtige hielten. Die zweidimensionale Gestaltungsweise der Farben eröffnete uns ausserdem einige Vorteile. So wirkt das Comic nicht nur einheitlicher und übersichtlicher, sondern es lenkt auch die Aufmerksamkeit weniger auf Details im Bild, was wiederum dem eingeblendeten Audioschnipsel der Geschichte zu Gute kommt.

Auf der Grundlage des Interviews, zeichneten wir dann Schritt für Schritt ein Storyboard, das die Aussagen dramaturgisch unterstreichen sollte. Mit dem Storyboard erkannten wir schnell, dass wir die Möglichkeit hatten, die Story chronologisch zu verbessern und damit die Geschichte besser erzählen zu können. Es ging aber auch darum, sich bildlich vorzustellen, was unserer Protagonistin auf ihrer Flucht wiederfahren war. Letzen Endes war auch das Storyboard der Auslöser dafür, dass wir auf die Idee kamen, die Geschichte nachzuvertonen.

Als nächstes ging es um die Umsetzung. Nach einigen Versuchen entschieden wir uns für eine grafische Lösung, die mithilfe von Rotoskopien in Adobe Illustrator und Photoshop umgesetzt wurde. Die Rotoskopien sollten einerseits gewährleisten, dass wir ein relativ realitätsgetreues Bild von Afghanistan zeichnen und andererseits auch zeitlich Einiges einsparen konnten. Dafür musste, in einem ersten Schritt, das gesamte Internet nach brauchbaren Bildern durchkämmt werden. Vielen mutigen Fotografen ist es zu verdanken, dass wir schlussendlich, auf der Grundlage grandioser Fotografien, eigene Bilder kreieren und so in unser Comic einbinden konnten. Die Fotografien wurden dann in Adobe Photoshop ausgeschnitten, bearbeitet und zu einer Komposition zusammengeführt, damit sie mit den Aussagen der Protagonistin auch übereinstimmten.

Der nächste Schritt drehte sich um die eigentlichen Rotoskopien. In Adobe Illustrator wurden mithilfe eines WACOM-Tablets alle wichtigen Konturen und Flächen eine nach der anderen nachgezeichnet. Was sich nach durchpausen anhört, ist letzten Endes aber ein schwieriger Prozess, da nicht jede Linie gebraucht bzw. vernachlässigt werden darf. Dazu kamen Details – speziell in den Gesichtern der Protagonisten – die von Hand gezeichnet werden mussten, damit ein Wiedererkennungswert ermöglicht werden konnte. Wichtig war vor allem, dass die Zeichnung in verschiedene Ebenen unterteilt waren. Meistens waren es mindestens 3: eine vordere, eine mittlere und eine hintere. So stellten wir sicher, dass später bei der Animation auch alles glatt laufen würde.

Als alle Bilder und deren Layer fertig waren, wurden sie in Adobe After Effects weiterverarbeitet. Dazu kamen einfache Effekte wie blurring oder upscaling, die dem Bild sofort mehr Tiefe geben und das Ganze zum Leben erwecken. Danach wurden die zwei Audiospuren zu den Bildern hinzugefügt und einige Sound-Effekte eingebunden. Wichtig bei diesem Schritt war zudem, dass die Videos mit einer Auflösung exportiert wurden, die qualitativ, aber auch puncto Web-Performance richtig eingestellt werden musste. Trotz starker Kompression kommt es teilweise noch immer zu kleineren Performance-Problemen - damit mussten wir uns aber abfinden.

Website
Die Programmierung der Website beanspruchte viel Zeit und stellte uns vor einige Herausforderungen. Wir haben uns entschieden, die Website ohne CMS und ohne Frameworks zu gestalten, damit eine gewisse Freiheit gegeben war. Das Menü-Plugin ist die einzige externe Ressource, auf die in unserer Website zurückgegriffen wird.

Wir investierten einige Zeit in JavaScript, bis es mit dem gewünschten Hover-Effekt der Videos klappte. Dasselbe gilt für den Click/Pause-Effekt, der ebenfalls mit JavaScript umgesetzt wurde. Eine weitere Herausforderung war der native Fullscreen-Video Modus auf mobilen Geräten. Wir wollten diesen umgehen, damit die Videos auf mobilen Geräten inline abgespielt werden, was wiederum eine benutzerfreundlichere Bedienung erlaubt. Auch das konnte mithilfe von JavaScript implementiert werden.

Das Raster der Videos haben wir mit Flexboxen umgesetzt. Ursprünglich hatten wir weitere Anordnungen vorgesehen, die aber aufgrund der Restriktionen von Flexboxen nicht realisierbar waren. Das Design haben wir auf der gesamten Website einheitlich gestaltet und dem Design des Comics angepasst, damit dieses klar in den Mittelpunkt gestellt wird.

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