Kunst im Gesicht

Das Licht erhellt den grossen Raum nur spärlich, schummrig scheint es auf den Tisch. Pinsel, Farbtöpfchen, Schatullen, Schälchen und Papier reihen sich darauf dicht aneinander. Am Tisch sitzt eine Person, ganz in schwarz gekleidet. Konzentriert taucht sie einen Pinsel in die Farbe – die Farbpigmente tanzen durch die Luft. Manchmal schwungvoll, manchmal vorsichtig zieht sie ihre Striche. Die Haare fallen ihr ins Gesicht. Vertieft wechselt sie zwischen verschiedenen Pinseln, mischt Farbe in einem Schälchen an, verpasst dem Papier immer mehr Farbtupfer. Alles um sie herum ist dunkel. Sie ist in eine andere Welt abgetaucht. Was wird hier gemalt?

Am Schluss des Films sieht man das Ergebnis: ein «Facechart». Aber was ist das überhaupt und wofür braucht man es? Die Künstlerin im Film heisst Valeria und ist Make-up Artistin bei M.A.C. «Make-up bedeutet für mich, in andere Welten zu tauchen. Ich kann so sein, wie ich sein will», sagt sie.

Facecharts zu malen ist Teil ihrer Arbeit. Ein Make-up Artist ist einfach gesagt ein Künstler, der mit Make-up arbeitet. Oder wie Valeria es nennt, sie macht «Kunst im Gesicht». Aber nicht nur auf Gesichter, sondern eben auch auf Papier. Sei es als spätere Vorlage, Inspiration oder Übung. Ein Facechart ist ein Hilfsmittel, um Make-up Looks festzuhalten. Dabei fliessen aktuelle Trends in die Gestaltung mit ein, ein «richtig oder falsch» gibt es jedoch nicht. Jede und jeder Make-up Artist ist sehr frei in der Umsetzung. Für ein Facechart braucht Valeria je nach «Skill-Level» zehn Minuten bis zu mehreren Stunden. Dabei spielt die Ausarbeitung der Feinheiten eine grosse Rolle. Ein Facechart wirkt simpel, dahinter steckt aber eine Menge Können, um das farblose Papier zum Leben zu erwecken. Ist es ein einfacher Look? Wird die Haut ausgearbeitet? Oder ist es eine Vorlage für eine Fashion-Show?

Die Adaption des Looks vom Papier aufs Gesicht ist eine grosse Herausforderung. Jeder Mensch ist anders, der Look sollte individuell auf das Gesicht angepasst werden. Das allein ist schon eine Kunst, die nicht jeder beherrscht. Valeria sagt, es gehe vor allem darum, eine Stimmung zu kreieren. «Bei Make-up kannst du nicht einfach nach einer Vorlage fünf Zentimeter nach links und fünf Zentimeter nach oben eine Linie malen. Das funktioniert nicht bei allen Menschen gleich». Man arbeitet also mit dem, was man hat.

Inspiration is everywhere!
Saisonale Trends lässt sie einfliessen, aber auch die von M.A.C. alle drei Monate abgehaltenen «Updates». Das sind interne Weiterbildungen, um die Make-up Artisten auf den neuesten Stand der Dinge zu bringen. Dabei werden neue Produkte vorgestellt und neue Looks umgesetzt. Auch einen internen Tumblr-Blog gibt es, wo ausgewählte Senior Make-up Artists von M.A.C. aus der ganzen Welt Looks oder neue Techniken präsentieren können. «Inspiration is everywhere», antwortet Valeria auf die Frage, wie sie denn zu Ideen für neue Looks kommt.

Der internen Community wird in dieser Firma grosse Bedeutung zugemessen. So kann man sich gegenseitig inspirieren und von anderen lernen. Es gibt dafür eigens den Instagramhashtag #myartistcommunity, welchen alle Make-up Artists von M.A.C. weltweit verwenden. Dabei gibt es auch monatliche interne «Challenges», denen sie sich stellen können. Im Dezember war es beispielsweise #macglitter. Dann kreieren die Make-up Artisten einen Look zu diesem Thema und veröffentlichen ihn mit den vorgegebenen Hashtags. So besteht auch die Chance, dass das Foto von der offiziellen M.A.C.-Instagramseite repostet wird.

«M.A.C.» ist eine Abkürzung für Makeup Artistic Cosmetics und wurde ursprünglich exklusiv für Make-up Artists und den Backstage-Bereich entwickelt. Frank Tosca und Frank Angelo arbeiteten selber als Make-up Artists und Hair-Stylisten. Doch damals, im Jahr 1984, gab es noch kein spezielles Make-up für die Bühne. Ausgefallene Farben suchten sie vergebens. Und so begannen sie, selbst welches zu entwickeln. Zu Beginn fanden die Produkte vor allem bei Fashion-Shows, im Theater und bei Musikern Verwendung. Kurz darauf entschieden die beiden Gründer die Produkte für alle zugänglich zu machen. 1984 eröffnete in Toronto, Kanada der erste «Counter». So werden die Verkaufsstellen genannt. 1996 wurde die Firma von der Estée Lauder Group übernommen und von da an weltweit vertrieben. Heutzutage ist M.A.C. Marktführer und Prestigemarke Nummer eins für dekorative Kosmetik – weltweit.

All races. All Ages. All Sexes.
M.A.C. hat eine stark ausgeprägte Firmenethik. Ihre Vision heisst: Jeder Mensch soll so gelassen werden, wie er ist. M.A.C. möchte nicht Menschen verändern, sondern lediglich jeder Person ein besseres Gefühl geben und die Schönheit jeder Person betonen. «All races, all ages, all sexes», das ist ihr Credo.

Bei M.A.C. arbeiten kann grundsätzlich jede und jeder, der die Passion und das Talent dafür hat. Eine einheitliche Ausbildung gibt es nicht, denn Visagist/in ist kein geschützter Beruf. Es gibt Schulen, die Kurse in diese Richtung anbieten. Voraussetzung ist ein Abschluss für M.A.C. jedoch nicht. Ein gewisses Flair für Make-up und vor allem künstlerisches Talent müssen aber alle mitbringen.

Der Arbeitsalltag eines Make-up Artists ist sehr vielfältig. Die Beratung und der Verkauf von Produkten am Counter oder im Store gehören ebenso dazu, wie Schminktermine oder Lessons für Kundinnen und Kunden. Valeria gehört auch noch zum «Event-Team» Schweiz. Dazu muss jedes Jahr eine Prüfung absolviert werden, denn nur die besten sechs Make-up Artisten werden in das Team aufgenommen. Das Event-Team ist an Musikfestivals, Promos und Presse-Events anzutreffen. Ausserdem arbeitet das Event-Team «backstage» an den grossen Fashionweeks in Europa. Dazu gehören zum Beispiel Paris und Mailand. «Es ist schon so, dass du vor jeder Show nervös bist. Da sind immer Senior Artists, oder berühmte Models oder Designer von denen du Fan bist, dabei. Da gibt es dann schon gewisses Adrenalin», bestätigt Valeria.

Fashion. Shows. Gurus.
Wir wollten wissen: Wie läuft denn das hinter den Kulissen so ab? «Das Wichtigste», meint Valeria, «ist die Diskretion.» Man hält sich zurück und befolgt Anweisungen. Zuerst bekommt man eine Schminkstation zugeteilt. Dann schminkt der «Key-Artist», also der, der den Look entwickelt hat, ihn vor. Dann werden die Models auf die Artists aufgeteilt, welche den Look dann auf die einzelnen Personen adaptieren. Jedes Model wird vom Key-Artist sorgfältig kontrolliert, bevor sie ins «Line-up» gehen. So wird die Warteschlange vor dem Auftritt genannt. Dort wird nochmals die Haut der Models kontrolliert. Meist gibt es zwei Teams: Team Face und Team Body, die sich um die jeweiligen Parts kümmern. Nach jeder Runde auf dem Laufsteg wird nachkontrolliert. Manchmal ist alles super durchstrukturiert, manchmal auch sehr chaotisch. Dann sprechen sich die Make-up Artists untereinander ab.

Eine Erfolgsstory ist Valeria besonders geblieben: Ein Mal schminkte sie an einer Show, bei der Tom Pecheux der Key-Artist war. Pecheux kreiert unter anderem die Looks für die Victoria’s Secret Show und gilt in der Branche als echter Guru. Bei den Kontrollen ist er immer sehr pingelig. An Valerias Trainerin, die auch auf der Show war, hatte er bereits herum gemäkelt. Für Valeria hatte er aber nur lobende Worte übrig. Er war beim Vorbeigehen schon so zufrieden, dass sie den Look am Schluss nicht mal mehr zeigen musste. «Du machst das schon so perfekt, ich vertraue dir», hatte er ihr gesagt. «Das ist für uns Make-up Artists schon sehr viel wert. Wenn dir so ein Profi das sagt, dann bist du mega happy.»

Eine Woche Fashionshow, zwei Shows pro Tag. Da kommen sehr viele Eindrücke zusammen. «Cool ist jeweils auch, wenn wir die Rehearsals der Shows schauen dürfen. Und meistens gibt es nach den Shows noch eine Afterparty», grinst Valeria.

Bevor es weiter zu den Parties geht, übt und perfektioniert Valeria ihre Technik fleissig mit Facecharts und malt ihre Looks in die Gesichter der Menschen. Sie hat gerade eine Zusage erhalten: Im Januar geht es wieder nach Paris an die Haute Couture Show.

Valerias Instagrampage
M.A.C.s Instagrampage
M.A.C. Webseite

(mm)

Kritik
von Aline Räss und Sandra Savin

Idee
Make-up ist ein allgegenwärtiges Thema auf verschiedenen Social Media Plattformen. Tutorials von Laien oder Profis auf Youtube boomen. Doch kaum einer kennt das genaue Handwerk eines Make-up-Artists und wie viel Können dafür nötig ist. Genauso unbekannt sind vielen die Facecharts. Genau hier wollen wir ansetzen: Unser Ziel ist es, aufzuzeigen, dass Make-up mehr ist als nur ein bisschen tricksen, “schöner machen” oder einfach ein momentaner Trend. Es ist eine Kunst, die nur wenige richtig beherrschen. Dahinter steckt harte Arbeit und viel Talent. Am Beispiel des Erstellens eines Facecharts im Video wollen wir verdeutlichen, das Make-up im Prinzip eine andere Form des Malens, und damit Kunst, ist.

Schwierigkeiten beim Dreh

Lichtsetzung
Wir wollten die ganze Umgebung um Valeria dunkel lassen, um den Fokus wirklich auf sie zu lenken. Dafür wählten wir Scheinwerfer, die wir gezielt setzen konnten. Leider waren in der Technikausleihe nur noch zwei Reporterlichter vorhanden. Diese reichten für alle Detailaufnahmen vollends aus. Bei den Halbtotalen jedoch, war es schwierig zu erreichen, dass Valeria mit ihrer dunklen Kleidung sich noch vom Hintergrund abhebt. Für die Konturlinie bei den Schultern wäre ein dritter Spot sehr nützlich gewesen. Wir improvisierten dann mit dem Leuchtreflektor und Handytaschenlampen.

Teleobjektiv
Wir arbeiteten zum ersten Mal mit einem Teleobjektiv. Wir waren grösstenteils sehr zufrieden, da man wirklich einen schönen “Tele-Effekt” erreichen konnte, also viel Tiefenunschärfe. Was wir jedoch nicht bedacht hatten: Man musste mindestens ca. eineinhalb Meter Abstand zum Objekt haben, um scharfstellen zu können. Das wiederum war für Detailaufnahmen eher unvorteilhaft. Das nächste Mal würden wir noch ein Makroobjektiv mitnehmen. Ausserdem war das Tele sehr schwer und kippte dauernd nach vorne.

Scharfstellen
Wenn man mit einem Teleobjektiv filmt, ist der Bildausschnitt ja meist sehr klein. Um genau scharfstellen zu können, mussten wir Valeria immer bitten kurz innezuhalten. Dies war ein wenig mühsam, da sie immer ihren Workflow unterbrechen musste. Hatten wir eine Einstellung gefunden, die uns gefiel, mussten wir sie bitten, diese Bewegung nochmals zu wiederholen. Wenn sie diese dann nicht ganz genau an derselben Stelle machte, war die Aufnahme wieder unscharf und unbrauchbar für den Film.

Slowmotion
Wir wollten gerne einige Aufnahmen in Slowmotion haben. Um dies mit einer Spiegelreflexkamera zu erreichen, kann man zwar 50fps einstellen, muss dafür jedoch die Bildgrösse auf 720px reduzieren. Diesen Kompromiss mussten wir eingehen.

Videostativ
Wir hatten extra ein Videostativ ausgeliehen, so dass wir auch Schwenks aufnehmen konnten. Doch leider war der Arm des Stativs bereits so abgenutzt, dass keine flüssigen Bewegungen damit möglich waren. So mussten wir ein Haarband zu Hilfe nehmen.

Schnitt
Unsere Inspiration hatten wir aus einem Videoclip (Habits of my heart von Jaymes Young). Da wir nur einzelne Bilder konkrete im Kopf hatten, verzichteten wir darauf ein Storyboard zu zeichnen. Wir erstellten zwar eine Shotlist, jedoch wussten wir, dass der Schnitt nicht chronologisch nach dieser sein würde. Deshalb war der Rohschnitt eine Herausforderung, da eine rote Linie gefunden werden musste. Ausserdem gibt es viele ähnliche Aufnahmen, die sich nur durch Details unterscheiden. Und wie bereits erwähnt, waren viele Aufnahmen unbrauchbar, da sie unscharf waren. Hier musste bei der Auswahl besonders sorgfältig vorgegangen werden. Auch die Länge des Films war immer wieder ein Thema. Wie viel Close-up Aufnahmen kann man dem Zuschauer zumuten? Ab welchem Zeitpunkt langweilt er sich? Zudem ist das Video gleichzeitig auch der Einstieg zum textlichen Teil und soll dazu animieren, den gesamten Beitrag durchzulesen.

Text
Auch beim Begleittext war es die grosse Herausforderung einen roten Faden zu finden. Wir hatten uns als Vorbereitung Fragen notiert, doch diese wurden unterschiedlich ausführlich beantwortet. Valeria erzählte uns viel allgemeines zu der Firma M.A.C. und über die Fashionshows, an denen sie teilnehmen durfte. So gerieten die Facecharts ein wenig in den Hintergrund. Trotzdem sollte eine Verknüpfung zum Video hergestellt werden. Eine Frage, die wir uns auch immer wieder stellten: Wieviel muss erklärt werden, damit der Zuschauer es versteht, ohne aber gelangweilt zu werden? Ausserdem war Valeria als Fachfrau natürlich bereits sehr vertieft im Thema und benutzte viele Fachbegriffe. Ab und zu mussten wir nachfragen, um eine genauere Erklärung zu bekommen.

Bilder
Im Video wird nur ein Beispiel eines Facecharts gezeigt. Die Facecharts sind aber so individuell wie ihre Gestalter. Um die ganze Palette der Facecharts zu verdeutlichen, haben wir zusätzlich im Beitrag noch eine Bildergalerie integriert. Wir haben uns dazu entschieden, nur Facecharts von Valeria zu zeigen, da die Auswahl sonst endlos ist. Dafür verlinken wir im Beitrag auf die Social Media Accounts von M.A.C. So kann der Leser selbst entscheiden, ob er noch weitere Bilder oder Infos sehen will. Ausserdem haben wir noch vom offiziellen Instagram-Account von M.A.C Bilder der verschiedenen Challenges in unseren Beitrag integriert. Dies soll den gesamten Text auch etwas auflockern und den Beitrag insgesamt multimedial gestalten.

Allgemein
Wir hoffen, wir konnten das Thema und die Kunst des Make-up’s dem Zuschauer und Leser Näher bringen und mit Vorurteilen aufräumen. Der Film wurde schlussendlich zwar nicht wie geplant zum “Hauptbestandteil” unserer Arbeit, dafür aber zu einem guten Einstieg in den journalistisch angehauchten Text. Für das nächste Mal würden wir darauf achten, die Einstellungen dynamischer zu gestalten. Es sind praktisch alles statische Aufnahmen, die schnell sehr eintönig wirken können. Eine Steady-Cam/Gimbal hätte hier bestimmt interessante Aufnahmen gebracht und dem Film noch mehr eine künstlerische Komponente gegeben. Leider fehlt uns hierzu (noch) das Können. Vielleicht wirkt der Film deshalb auf einige Zuschauer etwas langatmig. Wenn sie zudem den Text danach nicht lesen, könnten sich viele fragen, was genau dieser Film jetzt aussagen will. Aber es ist auch unsere Absicht den Zuschauer in die Irre zu führen und neugierig darauf zu machen, was sie jetzt genau malt. Ursprünglich war ein Zeitraffer-Film geplant. Diese haben zwar meistens eine hypnotische Wirkung auf den Zuschauer, sind aber Standard. Wir wollten mit einer neuen Form experimentieren, wie man auf etwas andere Art einen solchen Film präsentieren kann. Vermutlich werden trotzdem nur Kunstinteressierte oder Make-up/M.A.C.-Fans wirklich den gesamten Beitrag lesen, da das Thema doch sehr spezifisch ist. Hier hätten wir sicher noch Potenzial gehabt, das gesamte Produkt interessanter zu gestalten und für eine breitere Zielgruppe verständlich und schmackhaft zu machen.

Quellen: Alle Bilder der Facechart's wurden von Valeria zur Verfügung gestellt.

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