Wir schreiben den zweiten Mai 2016. Es ist ein grauer, verhangener Tag. Wir, zwei Studenten, machen uns auf nach Luzern, um mehr über das Haus zu erfahren.
Wir treffen uns mit Peter Pfleiderer. Er hat sich freundlicherweise dazu bereit erklärt, uns in einem Interview etwas mehr über das Haus und dessen Vergangenheit zu erzählen. Als Präsident der Stiftung Fischbacher-Labhardt kennt er es gut. Die Stiftung Fischbacher-Labhardt ist übrigens die offizielle Eigentümerin des Studentenhauses. Aber darüber sollten wir zu einem späteren Zeitpunkt noch mehr erfahren.
Nach dem Aufstellen des Equipments und einigen kleinen Pannen, die ja fast schon dazugehören, sind wir bereit. Wir befinden uns im grossen Aufenthaltsraum des Studentenheims. Peter Pfleiderer sitzt in einem roten Sessel am Fenster. Da das Wetter nicht mitspielen wollte, kann man leider die Aussicht auf den See und die Stadt nicht sehen.
Im Interview erfahren wir, dass das Haus ursprünglich als Wohnhaus gebaut wurde. Danach wurde es zur Pension umgebaut. Dann wiederum zum Wohnhaus, wobei es eine Zeit lang Sitz der kantonalen Lebensmittelkontrolle war, bevor es in ein Studenten- und Lehrlingsheim gewandelt wurde. Die Struktur der Pension (die einzelnen Zimmer und Etagentoiletten) konnten dadurch erhalten und wiederverwendet werden. Das Protestantische Studenten- und Lehrlingsheim, wie es mit vollem Namen heisst, besteht in dieser Form seit 1968. Dies entnehmen wir Dokumenten, die Herr Pfleiderer uns netterweise mitgebracht hatte. Spannend ist, dass dieses Haus nicht alleine steht. Rechts und links baute man noch zwei Häuser, so dass eine Reihe mit drei identischen Häusern entstanden ist. Im Dreilindenquartier herrschten zu dieser Zeit (im Jahr 1887) strenge Regeln, die bestimmten, was gebaut werden durfte und was nicht.
«Auf dem Dreilindengute dürfen nur Bauten erstellt werden, welche ausgesprochen den Charakter von Villen in sich tragen und dieser Zweckbestimmung dienen […] Speziell wird festgesetzt, dass auf dem ganzen Dreilindengute zu keiner Zeit erstellt werden dürfen: Kirchhöfe, Materialablagerungsplätze, Viehunterstandorte, Wirthschaften [sic], Kegelspielplätze, Fabriken, Magazine, Spitäler, Kranken- oder Irrenhäuser, Prostitutions- oder Spielhäuser.»
Aus diesem Reglement der Dreilindengesellschaft aus dem Jahre 1891 waren Hotels ausgenommen. Kein Wunder also wurde das Haus im Jahr 1893 in eine Pension umfunktioniert. Mit den grossen Hotels am Seeufer konnte sie wahrscheinlich nicht mithalten. Trotzdem gab es ambitionierte Pläne. Die drei identischen Häuser sollten durch einen Kuppelbau miteinander verbunden werden und so einen Hotelkomplex bilden. Ausgeführt wurden die Pläne jedoch nie.
Es war ein langer Weg, bis das Studentenheim zu seiner heutigen Form gefunden hat. Und auch jetzt steht es nicht still. Die Leiterin des Studentenheims, Suzanne Müller, die sich nur durch Überreden vor die Kamera begeben wollte, erlebt das Treiben im Studentenheim hautnah. Sie lebt in ihrer Wohnung im Parterre und ist Tag und Nacht eine Ansprechperson mit offenem Ohr und Herzen. Viele Studenten und Lernende hat sie schon ein und aus begleitet und man sieht ihr die Leidenschaft für diese Berufung an. Sie setzt sich persönlich für die Bewohner ein und hat einen guten Draht zu ihnen. Das spiegelt sich auch in den Preisen und Konditionen wieder. Das Ziel ist es, bezahlbaren Wohnraum für junge Menschen zu bieten. So zahlt man für ein Zimmer lediglich zwischen 420 und 600 Franken. Auch die Kündigungsfrist von einem Monat ist eher kurz, jedoch dem Alter der Bewohner entsprechend, meint Suzanne. Es sei ein Geben und ein Nehmen, denn ein Ort mit so vielen jungen Leuten ist natürlich stetig im Wandel.
Aber nicht nur die Menschen, sondern auch das Haus wandelt sich. Renovationsarbeiten stehen an. Die Einrichtung ist in die Jahre gekommen und es wird Zeit, dem Haus einen frischen Anstrich zu geben. Die Aufenthaltsräume sollen neugestaltet werden, damit die Bewohner gemütlich in zeitgenössischem Ambiente zusammensitzen können.
Nach den zwei Interviews machen wir uns auf, um noch einige Fotos vom Haus zu schiessen. Wir gehen das grosse Treppenhaus hinauf. Suzanne hat uns extra ein Zimmer aufgeschlossen, das momentan leer steht. Es ist klein, aber fein. Die Zimmer sind grundsätzlich immer möbliert. Bett, Schrank, Pult, Waschbecken und Spiegel sind die Standardeinrichtung. Und wenn man Glück hat, hat man auch noch eine traumhafte Aussicht auf das Luzerner Seebecken und die Kapellbrücke.
Weiter geht es in die Höhe. Wir gehen eine kleine, enge Treppe hinauf auf die Dachterrasse. Ich denke, die viel gelobte Aussicht muss man hier nicht mehr erwähnen. Ein toller Ort um zu entspannen und um an schönen Tagen die Sonne zu geniessen. Doch das ist nicht der einzige Rückzugsort. Wieder unten angelangt gehen wir in den wunderschön gepflegten Garten. Es hat Sitzplätze, Liegestühle und sogar einen Grill. Man kann sich gut vorstellen, wie die Bewohner des Studentenheimes diesen im Sommer nutzen. Es gibt viele Orte, wo man Gemeinsamkeit findet. Und trotzdem kann man sich in sein Zimmer zurückziehen, wenn man das möchte. Auch Küche und Waschküche sind vorhanden, wo jeder selbst oder gemeinsam kochen und waschen kann, wann und wie er möchte.
Das Studentenheim ist ein Ort, wo junge Leute zusammentreffen, kommen und gehen und sogar manchmal auch zusammenfinden. Der stetige Wandel macht das Leben spannend und abwechslungsreich. Wir können uns vorstellen, dass viele mit guten Erinnerungen aus dem Haus ausziehen um ihren Weg weiter zu gehen. Wie das Haus nach der Rennovation aussieht und wie es sich entwickeln wird, wird sich zeigen.
(fs)