Tourist im Tourismus sein

„Tourist” zeigt in zurückhaltender Weise hautnah ein Porträt eines Skiortes in den Alpen und wie die Industrie dahinter als ganz eigene Welt funktioniert und produziert.

Die Aufnahmen in Timelapse-Technik, beobachten voyeuristisch, aber nicht vorwurfsvoll, das geölte Räderwerk eines kompakten Mikrokosmos, der oft mit Begriffen wie Klimawandel, mondänem Lebensstil aber auch gewaltigen Natureindrücken und traumhaften Märchenwelten assoziiert wird. Eine marketingsüsse und doch abstrakt ehrliche Darstellung.

Das Material ist im weltberühmten Zermatt entstanden. Die 25’000 einzeln aufgenommenen Fotografien schlummerten allerdings einige Jahre auf verstaubten Festplatten vor sich hin und warteten darauf irgendwann zu einem Kurzfilm verarbeitet zu werden.

Kritik
von Luzi Wieland

Die grösste Hürde stellte das Storyboard dar. An einem Whiteboard wurde versucht Post-Its mit den 80 Szenen zu einer funktionierenden Storyline zu verknüpfen. Die schlechten oder nicht relevanten Bilder flogen raus. Wann wird es Tag oder Nacht? Welche Jahreszeiten folgen aufeinander? Welche Szene hat eine brauchbare Aussage? Nach vielen Versuchen und Strategieänderungen in der Erzählstruktur hat sich dann langsam die finale Variante herauskristallisiert. Das erste Bild ist stark, der Beginn myhstisch, man weis nicht genau, was die Bilder sagen wollen. Das Tempo der Schnitte steigert sich um die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu halten. Mit dem harmonischen Soundteppich versinkt man aber schon bald in die Welt, die man eigentlich kennt, aber nun doch mal ganz anders erlebt.

Alle Bilder mussten aufwändig von Fotografien in Filmaufnahmen veredelt werden. Die Software hält zwar ein Tool bereit, funktioniert aber für solch grosse Datenmengen nicht. Ein Workaround tat Not. Da die Aufnahmen in vielen verschiednen Geschwindigkeiten aufgenommen wurden, waren sie aufeinander abzustimmen, damit alle ein ähnliches Tempo erreichen. Dabei ist es wichtig, die Musik für einmal zuerst auszuwählen, sonst stimmt der Rhythmus der Bilder nicht mit dem Ton überein. Viel Zeit floss in die Feinarbeiten: Stabilisieren der oft verwackelten Aufnahmen, Farbkorrekturen, Kontraste anpassen und vieles mehr.

Für die Bilder, auf denen Menschen und Fahrzeuge zu sehen waren, ist mit dem Tilt-Shift-Effekt eine zu Timelapse-Aufnahmen passende „Miniaturisierung“ für den Betrachter entstanden. Aber wo soll die Schärfegrenze verlaufen, welche Szenen eignen sich dafür? Es blieb bis am Schluss tricky.

Viele Stunden vor dem Bildschirm und genau so viel Kaffee später ist das Werk fertig. Doch das Gefühl, das einige ergänzende Aufnahmen nötig wären um die Geschichte abzurunden, lässt einem nicht los. Besonders der Schluss ist nicht optimal. Ein praktischer Sonnenuntergang oder ähnliches fehlte. Viele Kompromisse waren notwendig und die geplante Qualität wurde nicht erreicht. Das Material stellte sich auch immer wieder mit auf den ersten Blick nicht sichtbaren Schönheitsfehler in die Quere. Das Projekt war umfangreich, Projektmanagement um so wichtiger - das weis man aber erst danach.

Fazit: Spannend, nervenaufreibend und den gesetzten Ansprüchen fast aber nicht ganz gerecht geworden.

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