Winter im Wingert Fiona Tischhauser

Über die Runden ohne Überstunden – Wie ein Student auf eigene Faust gutes Geld macht.

Finanzielle Unabhängigkeit, das ist manches Studenten Traum, doch während eines Vollzeitstudiums kaum erreichbar. Einige arbeiten an Randzeiten, andere verbringen ihre Semesterferien mit jobben. Gehörst du auch einer dieser Kategorien an? Hier erfährst du aus einem Selbstexperiment einige Starter-Tipps, welche dir zeigen, wie du unabhängig von einem Arbeitgeber gutes Geld verdienen kannst.

Wer Multimedia Production studiert, besucht eine Vielzahl an Modulen, die direkt in die Praxis umgesetzt werden können, zum Beispiel Grafik- und Filmproduktion, Korrekturlesen und -schreiben, Gestalten von Webseiten oder Produktion von Kunst. Erfolgsentscheidend ist, dass du eine Tätigkeit auswählst, in der du überdurchschnittlich gute Fähigkeiten besitzt und welche dir Spass bereitet. Ich habe mich für das Produzieren von Kunst entschieden und in den Sommerferien 2018 eben damit begonnen. Von dieser Erfahrung berichte ich nachfolgend.

Der erste Schritt in die Freiheit bedeutet Verantwortung

Wichtig ist, das Projekt mit Überzeugung in die Hand zu nehmen und, genau wie bei einer festen Stelle, eine gewisse Anzahl Stunden pro Woche einzuplanen. Diese kann variieren, je nachdem, wie gross die Belastung vom Studium her gerade ist.

Je nach Tätigkeit müssen anfangs Investitionen getätigt werden. Eine kluge Budgetplanung hilft, so schnell wie möglich schwarze Zahlen zu schreiben. Schaffe dir eine langfristige Finanzplanung, damit du ohne Engpass die Kontrolle behältst und über die Runden kommst.

Tipp: Notiere auch die kleinen Ausgaben wie Pinsel und Farben, denn sie fallen in der Summe genauso ins Gewicht wie einzelne grössere Anschaffungen. Nur durch konsequentes Notieren der Einnahmen und Ausgaben kannst du am Ende des Monates mit Gewissheit ermitteln, ob du schon einen Gewinn gemacht hast.

Wie Aufträge zu dir finden 

Soziale Kontakte helfen, die ersten Kunden zu finden. Bekannte oder Freunde geben oft gerne darüber Auskunft, welches Angebot ihnen gefallen würde. Frage sie nach Kritik, denn nichts ist anfänglich wertvoller als gut gemeinter, ehrlicher Rat.

Erstelle dir ein einheitliches Social-Media-Profil, denn mit den richtigen Hashtags werden weltweit Leute, darunter auch potenzielle Kunden, auf dich aufmerksam. Doch dazu mehr im nächsten Punkt.

Messen oder in meinem Fall Kunst-Ausstellungen sind weitere Möglichkeiten, auf sich aufmerksam zu machen. Aber bitte keine Illusion, die Aussteller werden die Gemälde einer unbedeutenden Studentin nicht einfach mit Handkuss in ihren Galerien entgegennehmen. Am besten gehst du –  mit deinem schönsten Lächeln – auf interessante Persönlichkeiten oder kleine Unternehmen zu und fragst, ob sie an einer Zusammenarbeit interessiert wären. Das klingt schwierig, ist aber eigentlich ganz einfach. Mich kostete dieser Schritt lediglich zehn Minuten und zwei Telefonate, bis mir ein Weinbauer während der Zeit des Weinfestes seine Weinkeller als Ausstellungsräume zugesprochen hatte.

Win-win – Kooperationen

In schwer messbaren Branchen wie der Kunst ist die wirksamste Werbung wohl noch immer die Mund-zu-Mund-Propaganda und auch deine Anwesenheit. In meinem Beispiel hat sich die Zusammenarbeit für beide gleichermassen gelohnt: Der Weinbauer empfing die Gäste in passend dekorierten Räumen, und ich durfte bereits in der ersten Ausstellung vier meiner Gemälde verkaufen.

Der Auftritt nach Aussen

Ein einheitlicher Auftritt steigert die Chance, wiedererkannt zu werden. Ein einheitliches CD macht es dem Kunden leichter, sich deinen Namen zu merken und diesen weiter zu verbreiten. Deshalb empfehle ich, schon vor dem ersten Öffentlichkeitsauftritt ein gut überlegtes Logo, ein damit gestaltetes Visitenkärtchen und eine dazu passende Webseite inkl. Social-Media-Profil zu erstellen. Es muss keine professionelle Webseite sein. Viel bedeutsamer ist es, dass sich interessierte Personen über dich und deine Tätigkeit informieren und mit dir in Kontakt treten können.

Persönlich habe mich für eine simple One-Page entschieden, die das Nötigste über mich erzählt: fionart.ch

Bevor du Visitenkarten druckst, dich in der Öffentlichkeit präsentierst oder deine Produkte ausstellst, frage dich, wer du sein möchtest, wo deine Stärken liegen und hinter was du mit Herzblut stehen kannst.
Bei der Vermarktung von dir selbst geht es nicht in erster Linie um extravagantes Auffallen. Ed Sheeran zum Beispiel steigt in verwaschener Jeans und durchgewetzter Gitarre auf die Bühne und verzaubert mit seiner Stimme Tausende von Leuten. Hätte er dieselbe Authentizität, wenn er in Lederhosen und Lackschuhen daherkäme? Sei ganz bewusst du selbst!

Flyer Fiona Tischhauser

Der Flyer fällt durch seine längliche Form auf. Er dient als Visitenkarte. Die Rückseite des Flyers enthält wichtige Infos.

Wie viel sind mein Produkt oder meine Dienstleistung wert?

Gerade Studentinnen und Studenten bieten ihre Dienstleistungen oftmals unter dem möglichen Marktwert an, um so regelmässig Aufträge zu erhalten. Aber ist dies die richtige Strategie?

An meiner ersten Ausstellung während eines Weinfestes flanieren unzählige Weinliebhaber aus allen Schichten im Weinkeller, degustieren, plaudern und begutachten dabei meine ausgestellten Bilder. Für mich ist dies das allererste Mal, dass ich Bilder verkaufe und ich hatte im Vorfeld – selbst nach langer Recherche über angemessene Preise vergleichbarer Künstlerinnen – keine Faustregel gefunden.

Während des Weinfestes kommt ein junger Mann auf mich zu und fragt nach dem Preis des Bildes «Lady in Red». Unverblümt nenne ich den Preis von CHF 800.-. Er öffnet erstaunt den Mund und meint, es sei schön, aber es sei ihm doch zu teuer. Am selben Abend begegnet mir ein etwas älterer Herr mit derselben Frage, worauf ich mit demselben Satz antworte. Er guckt mich verwundert an und meint, ich würde mich unter meinem Wert verkaufen. Ich war sehr verunsichert. Was stimmte nun?Am Ende des Anlasses fand das Bild einen neuen Besitzer, der den Preis anscheinend als passend einstufte.

Gerade in der Kunst, die nur begrenzt messbar ist, definiert mitunter der Preis den Wert deiner Leistung. Misstrauen kommt ebenso bei einem zu hohen wie bei einem zu tiefen Preis auf. Mein Tipp: Informiere dich bei Konkurrenzangeboten und wähle eine Preislage, die du selbst als gehoben empfindest, hinter der du aber mit gutem Gewissen stehen kannst.

Lady in Red

Das Bild Lady in Red – Acryl auf Leinwand

Erfolg und Stress

Es ist genüsslich, wenn bereits nach der ersten Ausstellung mehrere Personen auf dich aufmerksam geworden sind und dich beauftragen möchten. Im Vergleich zu einem Unternehmen verfügst du aber lediglich über eine begrenzte Kapazität. Denn da sind ja auch noch die Aufträge des Studienlehrganges, die Priorität geniessen. Es sind da die vielen Gruppenaufträge. Hätte ich deren Zeitaufwand realistisch eingeschätzt, so hätte ich nicht alle Aufträge erfreut angenommen. In der logischen Konsequenz ist im Verlauf des Semesters der Zeitfaktor zunehmend zum Brennpunkt geworden. Denn wer möchte schon im Nachhinein einen ersten Auftrag absagen? Die Folgen sind selbstverschuldet und selber zu überstehen: lange Nächte, kein Ausgang und Überforderung.

Was ich daraus lernte und dir als letzten Punkt mitgeben möchte: Erfolg ist toll, aber überschätze deine Kapazität nicht. Plane die Aufträge einen nach dem anderen und habe den Mut, auch in der Anfangsphase jemandem zu erklären, dass er sich etwas gedulden muss.

Ausstellung

Die letzten Bilder hängen – der Abend vor der Ausstellung

Ausstellung im Weinkeller

Die Bilder im alten Torkel sind bereit auf das Weinfest.

Mit diesen kleinen Tipps und Beispielen möchte ich dich für deine eigenen Projekte motivieren In der nachfolgenden kritischen Betrachtung findest du eine ausführliche Erklärung, wie mein Selbstexperiment verlaufen ist.

(lhu)

Kritik
von Fiona Tischhauser

Sinn

Dieses Projekt während des Studiums nutze ich als Chance, etwas Geld zu verdienen und im Weiteren zu prüfen, ob ich als musisch aktive Start-up-Unternehmerin eine Chance hätte, später von meiner Auftragsmalerei leben zu können.

Darüber hinaus möchte ich mit dem Projekt das meiner Meinung nach etwas stiefmütterlich behandelte Modul «Visualisieren» in den Vordergrund stellen.

Anfänglich dachte ich noch nicht daran, dieses Projekt auf diese Art mit Tipps zu präsentieren, doch als mein Selbstexperiment so gut anlief, wuchs in mir das Bedürfnis, anstelle der Gemälde meine Erfahrungen weiterzugeben.

Planung

Die Planung erfolgte Schritt für Schritt. Anfänglich wurden nur die Startkosten grob notiert. Doch als ich die Zusage für die Ausstellung bekam, wurde es komplexer. In rund drei Räumen, jeder in unterschiedlichen Baustilen, Grössen und Ausstattungen, plante ich die konkreten Bilder.

Die rund drei Wochen Zeit von der Zusage bis zum Datum des Weinfestetes nutzte ich, um rund 15 Bilder in den unterschiedlichen Formaten zu malen. Als parallel dazu die Schule wieder anfing, war ich noch voll und ganz mit der Rahmung, Bebilderung und diversen anderen Arbeiten, etwa der Erstellung der Visitenkarte und meiner Webpage, beschäftigt. Schon da lief die Balance zwischen Studium und Beschäftigung mit der Kunst aus dem mir gewünschten Rahmen.

Und es sollte noch enger werden: Anstatt mich auf das Studium konzentrieren zu können, flatterten just dann im Nachgang der Ausstellung Anfragen für Kunst- und Grafikaufträge ins Haus. Ab da wurde die Planung genauer, gezwungenermassen, da ich mich überfordert hatte und nun meine Zeit besser einteilen musste.

Die vielen Projekte in der Schule stellten trotzdem meinen Plan immer wieder auf den Kopf, sodass ich nicht selten bis spät in die Nacht arbeitete. Ein lehrreiches Semester, was Koordination und Kombination von vielen unterschiedlichen Aufgaben anbelangt.

Durchführung

Trotz der manchmal chaotischen Tagen und Nächten ist die Durchführung des Projektes respektive die termingerechten Abgaben sämtlicher Arbeiten an der HTW sowie bei den Kunden – wenn ab und zu auch in letzter Minute - stets gelungen.

Neben den zeitlichen Problemen beeinträchtigte im November ein Bike-Unfall meine Arme, insbesondere meine Feinmotorik, während mehrerer Wochen. Damals war unsicher, ob ich überhaupt imstande sein würde, all die Weihnachtsaufträge termingerecht umsetzen zu können.

Bilder

Wie erwähnt, hatte ich drei Wochen für die Ausstellung einkalkuliert. Während dieser Zeit mussten alle Bilder gemalt und gleichzeitig die Webseite erstellt werden. Diese wuchs mit jedem Gemälde, das ich ablichtete und veröffentlichte. Die Bilder selbst sind alle mit Acryl-Farbe gemalt, fallen jedoch in unterschiedlichsten Formaten aus, von A4 bis 100 x 80 cm. Insbesondere die grossen Bilder stellten meine gestalterischen Fähigkeiten vor neue Herausforderungen. Denn Formate über A2 sind auf Armlänge nicht vollständig im Sichtfeld, womit die Proportionen oft erst nach mehreren Versuchen zufriedenstellend sind.

Material

Da Mengen an Material besorgt werden musste – Leinwände, Aufhänge-Systeme, Bildbeleuchtung, Bilderrahmen, viel Farbe und diverse Pinsel – unterstützen mich des Öfteren Freunde oder meine Eltern, um die Ware unbeschädigt zu besorgen, zu transportieren oder um sie schliesslich aufzuhängen. Die Bilder befestigten wir in ganz modernen Räumen mit speziellem Verputz, aber auch an Jahrhunderte alten Natursteinmauern, was nicht immer einfach zu bewerkstelligen war. Mit einer Werkzeugbox (wie ein Profi-Installateur) wurde geklebt, geknöpft und gebohrt, bis alles gut ausgeleuchtet in der Waagrechten hing.

Webseite

Die grundlegende Webseite baute ich anfangs des Semesters. Dabei habe ich WordPress Sydney und einige Plugins verwendet. Während des Semesters schaltete ich Bilder auf und schliesslich optimierte ich die Seite mit einem Child-Theme, um alle Kommentare und nicht erwünschte Elemente ein für alle Mal loszuwerden. Zum Schluss überarbeitete ich den gesamten Inhalt gründlich, da ich ihn in der Eile lediglich flüchtig hinzugefügt hatte.

Flyer und Auftritt

Um nicht in das klassische Klischee einer Künstlerin eingestuft zu werden, überlegte ich mir diesen Auftritt besonders gut. Nebst dem persönlichen Erscheinungsbild gehörte die Visitenkarte, in einem unüblichen, nicht klassischen Format, mit dazu.

Entscheidend für den Erfolg, denke ich, waren schliesslich die persönlichen Begegnungen sowie die Freude und der Gefallen am einzelnen Werk. Insgesamt bin ich mit dem Auftritt während des Weinfestes und mit den nachfolgenden Kundenkontakten zufrieden; ich konnte mich selbst bleiben und mich ganz der Sache widmen.

Die für mich wohl grösste Schwierigkeit war der Verzicht auf viele Stunden Freiheit. Die Möglichkeit, meinen Arbeitsplan selbst zu gestalten, verlockte mich regelmässig dazu, etwas anderes in den Vordergrund zu stellen. Das Projekt war in dieser Hinsicht ein hervorragendes Training für meine Selbstdisziplin. Dank meiner grossen persönlichen Motivation hatte ich nach Abschluss des Projektes zufriedene Kunden und einen schönen Batzen auf dem Bankkonto.

Fazit

Wie kurz erwähnt, hätte ich nicht alles alleine arrangieren können und bin unglaublich dankbar dafür, dass mir während der Installation- und Deinstallationszeit unter die Arme gegriffen wurde.

Das Projekt hat mir viel Spass bereitet und ich bin auch etwas stolz, das für die Zeit der Sommerferien erträumte Ziel übertroffen zu haben.

Mit meinen Tipps - und mögen sie auch einfach sein – hoffe ich, andere Studentinnen und Studenten zu motivieren, ihren innersten Interessen und Begabungen zu folgen und etwas davon zu verwirklichen.

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