Wer Multimedia Production studiert, besucht eine Vielzahl an Modulen, die direkt in die Praxis umgesetzt werden können, zum Beispiel Grafik- und Filmproduktion, Korrekturlesen und -schreiben, Gestalten von Webseiten oder Produktion von Kunst. Erfolgsentscheidend ist, dass du eine Tätigkeit auswählst, in der du überdurchschnittlich gute Fähigkeiten besitzt und welche dir Spass bereitet. Ich habe mich für das Produzieren von Kunst entschieden und in den Sommerferien 2018 eben damit begonnen. Von dieser Erfahrung berichte ich nachfolgend.
Der erste Schritt in die Freiheit bedeutet Verantwortung
Wichtig ist, das Projekt mit Überzeugung in die Hand zu nehmen und, genau wie bei einer festen Stelle, eine gewisse Anzahl Stunden pro Woche einzuplanen. Diese kann variieren, je nachdem, wie gross die Belastung vom Studium her gerade ist.
Je nach Tätigkeit müssen anfangs Investitionen getätigt werden. Eine kluge Budgetplanung hilft, so schnell wie möglich schwarze Zahlen zu schreiben. Schaffe dir eine langfristige Finanzplanung, damit du ohne Engpass die Kontrolle behältst und über die Runden kommst.
Tipp: Notiere auch die kleinen Ausgaben wie Pinsel und Farben, denn sie fallen in der Summe genauso ins Gewicht wie einzelne grössere Anschaffungen. Nur durch konsequentes Notieren der Einnahmen und Ausgaben kannst du am Ende des Monates mit Gewissheit ermitteln, ob du schon einen Gewinn gemacht hast.
Wie Aufträge zu dir finden
Soziale Kontakte helfen, die ersten Kunden zu finden. Bekannte oder Freunde geben oft gerne darüber Auskunft, welches Angebot ihnen gefallen würde. Frage sie nach Kritik, denn nichts ist anfänglich wertvoller als gut gemeinter, ehrlicher Rat.
Erstelle dir ein einheitliches Social-Media-Profil, denn mit den richtigen Hashtags werden weltweit Leute, darunter auch potenzielle Kunden, auf dich aufmerksam. Doch dazu mehr im nächsten Punkt.
Messen oder in meinem Fall Kunst-Ausstellungen sind weitere Möglichkeiten, auf sich aufmerksam zu machen. Aber bitte keine Illusion, die Aussteller werden die Gemälde einer unbedeutenden Studentin nicht einfach mit Handkuss in ihren Galerien entgegennehmen. Am besten gehst du – mit deinem schönsten Lächeln – auf interessante Persönlichkeiten oder kleine Unternehmen zu und fragst, ob sie an einer Zusammenarbeit interessiert wären. Das klingt schwierig, ist aber eigentlich ganz einfach. Mich kostete dieser Schritt lediglich zehn Minuten und zwei Telefonate, bis mir ein Weinbauer während der Zeit des Weinfestes seine Weinkeller als Ausstellungsräume zugesprochen hatte.
Win-win – Kooperationen
In schwer messbaren Branchen wie der Kunst ist die wirksamste Werbung wohl noch immer die Mund-zu-Mund-Propaganda und auch deine Anwesenheit. In meinem Beispiel hat sich die Zusammenarbeit für beide gleichermassen gelohnt: Der Weinbauer empfing die Gäste in passend dekorierten Räumen, und ich durfte bereits in der ersten Ausstellung vier meiner Gemälde verkaufen.
Der Auftritt nach Aussen
Ein einheitlicher Auftritt steigert die Chance, wiedererkannt zu werden. Ein einheitliches CD macht es dem Kunden leichter, sich deinen Namen zu merken und diesen weiter zu verbreiten. Deshalb empfehle ich, schon vor dem ersten Öffentlichkeitsauftritt ein gut überlegtes Logo, ein damit gestaltetes Visitenkärtchen und eine dazu passende Webseite inkl. Social-Media-Profil zu erstellen. Es muss keine professionelle Webseite sein. Viel bedeutsamer ist es, dass sich interessierte Personen über dich und deine Tätigkeit informieren und mit dir in Kontakt treten können.
Persönlich habe mich für eine simple One-Page entschieden, die das Nötigste über mich erzählt: fionart.ch
Bevor du Visitenkarten druckst, dich in der Öffentlichkeit präsentierst oder deine Produkte ausstellst, frage dich, wer du sein möchtest, wo deine Stärken liegen und hinter was du mit Herzblut stehen kannst.
Bei der Vermarktung von dir selbst geht es nicht in erster Linie um extravagantes Auffallen. Ed Sheeran zum Beispiel steigt in verwaschener Jeans und durchgewetzter Gitarre auf die Bühne und verzaubert mit seiner Stimme Tausende von Leuten. Hätte er dieselbe Authentizität, wenn er in Lederhosen und Lackschuhen daherkäme? Sei ganz bewusst du selbst!
Wie viel sind mein Produkt oder meine Dienstleistung wert?
Gerade Studentinnen und Studenten bieten ihre Dienstleistungen oftmals unter dem möglichen Marktwert an, um so regelmässig Aufträge zu erhalten. Aber ist dies die richtige Strategie?
An meiner ersten Ausstellung während eines Weinfestes flanieren unzählige Weinliebhaber aus allen Schichten im Weinkeller, degustieren, plaudern und begutachten dabei meine ausgestellten Bilder. Für mich ist dies das allererste Mal, dass ich Bilder verkaufe und ich hatte im Vorfeld – selbst nach langer Recherche über angemessene Preise vergleichbarer Künstlerinnen – keine Faustregel gefunden.
Während des Weinfestes kommt ein junger Mann auf mich zu und fragt nach dem Preis des Bildes «Lady in Red». Unverblümt nenne ich den Preis von CHF 800.-. Er öffnet erstaunt den Mund und meint, es sei schön, aber es sei ihm doch zu teuer. Am selben Abend begegnet mir ein etwas älterer Herr mit derselben Frage, worauf ich mit demselben Satz antworte. Er guckt mich verwundert an und meint, ich würde mich unter meinem Wert verkaufen. Ich war sehr verunsichert. Was stimmte nun?Am Ende des Anlasses fand das Bild einen neuen Besitzer, der den Preis anscheinend als passend einstufte.
Gerade in der Kunst, die nur begrenzt messbar ist, definiert mitunter der Preis den Wert deiner Leistung. Misstrauen kommt ebenso bei einem zu hohen wie bei einem zu tiefen Preis auf. Mein Tipp: Informiere dich bei Konkurrenzangeboten und wähle eine Preislage, die du selbst als gehoben empfindest, hinter der du aber mit gutem Gewissen stehen kannst.
Erfolg und Stress
Es ist genüsslich, wenn bereits nach der ersten Ausstellung mehrere Personen auf dich aufmerksam geworden sind und dich beauftragen möchten. Im Vergleich zu einem Unternehmen verfügst du aber lediglich über eine begrenzte Kapazität. Denn da sind ja auch noch die Aufträge des Studienlehrganges, die Priorität geniessen. Es sind da die vielen Gruppenaufträge. Hätte ich deren Zeitaufwand realistisch eingeschätzt, so hätte ich nicht alle Aufträge erfreut angenommen. In der logischen Konsequenz ist im Verlauf des Semesters der Zeitfaktor zunehmend zum Brennpunkt geworden. Denn wer möchte schon im Nachhinein einen ersten Auftrag absagen? Die Folgen sind selbstverschuldet und selber zu überstehen: lange Nächte, kein Ausgang und Überforderung.
Was ich daraus lernte und dir als letzten Punkt mitgeben möchte: Erfolg ist toll, aber überschätze deine Kapazität nicht. Plane die Aufträge einen nach dem anderen und habe den Mut, auch in der Anfangsphase jemandem zu erklären, dass er sich etwas gedulden muss.
Mit diesen kleinen Tipps und Beispielen möchte ich dich für deine eigenen Projekte motivieren In der nachfolgenden kritischen Betrachtung findest du eine ausführliche Erklärung, wie mein Selbstexperiment verlaufen ist.
(lhu)