Züri – Die Dunkle Siite

Zürich, die Stadt in der die Reichen der Welt ihr Geld verstecken. Die Stadt mit dem weltweit zweithöchsten Lebensstandard nach Wien. Also alles wunderbar – oder hat auch Zürich dunkle Seiten?

Immer wieder hört man von Politikern, dass der Staat sparen müsse. In der Schweiz zum Beispiel wird von vielen Politikern immer wieder gefordert, an der Bildung oder der Sozialhilfe zu sparen. Stattdessen sollen Kampfjets im Wert von zig Milliarden Schweizer Franken am Volkswillen vorbei gekauft werden. Das Argument für Sparmassnahmen im sozialen Bereich lautet häufig wie folgt: «Ja ih de Schwiiz gahts doch niemerem wükli schlächt!» Im Ausland ist die Schweiz sowieso für ihren Reichtum berühmt berüchtigt und jährlich veröffentlicht die Unternehmensberatung «Mercer» den «Quality of Living Index» in dem Zürich seit Jahren hinter Wien den zweiten Platz belegt. Auch die Städte Genf, Bern und Basel befinden sich regelmässig unter den besten 15. Ist also alles «Friede, Freude, Eierkuchen» und Zeit an Sozialgeldern zu sparen?

Durch meine Kindheit im Zürcher Kreis 4 sowie meinen Einsätzen im NetZ4 und der Streetchurch Zürich bekam ich schon früh mit, dass es auch in Zürich Menschen gibt, die sehr zu kämpfen haben. Ich bin allerdings nicht überrascht, wenn man das nicht mitbekommt – wie beispielsweise Herr Christoph B., der in Laufen ZH aufwächst und später in Meilen oder Herrliberg wohnt. Deshalb wollte ich eine Interview-Reihe machen, um betroffenen Menschen und dieser Seite Zürichs ein Gesicht zu geben.

Natürlich sind die Zeiten der offenen Drogenszene am Platzspitz vorbei und selbstverständlich ist kein Stadtkreis mit den Pariser Banlieues zu vergleichen. Darüber sollten wir alle froh sein. Dieses Projekt soll aber auch kein selbstmitleidiger Vergleich mit anderen sein. Es geht vielmehr darum, eine Seite Zürichs zu zeigen, die viele nicht kennen. Es geht darum zu zeigen, dass auch in einem «reichen» Land soziale Probleme existieren, die nicht notwendigerweise etwas mit Armut zu tun haben müssen. Und es geht darum, «vor der eigenen Türe zu kehren».

Videos

Hauptvideo mit den wichtigsten Aussagen aus den drei Interviews.

Interview mit Biqi.

Interview mit Steve.

Interview mit Nico.

(fms)

Kritik
von Gian-Berno Fark

Pre-Production:

Die grösste Aufgabe der Vorbereitung war das Auftreiben von Interview-Partnern, die bereit waren sich so öffentlich zu äussern. Da ich aber durch die Streetchurch nicht wenige Freunde und Bekannte hatte, die dafür in Frage kamen, war das nicht allzu schwer. Schwieriger war es eher danach passende Termine zu finden, was dann aber schliesslich sehr kurzfristig überraschend gut geklappt hat.

Ich sprach ausserdem mit dem Geschäftsleiter, dem Pfarrer, der Leiterin des Fachbereichs Psychologie und dem Grafiker der Streetchurch, um inhaltliche und gestalterische Inputs sowie eine Drehgenehmigung in den Räumlichkeiten der Streetchurch zu bekommen.


Production:

Dreh:

Drehen konnte ich in den Räumlichkeiten des Zentrums der Streetchurch an der Badenerstrasse 69 und im Studio der Streetchurch, wobei das Studio visuell leider etwas abfällt von den beiden anderen Locations.  Organisiert waren die Drehs extrem kurzfristig, so stand teilweise erst 12 Stunden vor dem Interview fest, dass es stattfinden würde.

Weil die Thematik ziemlich persönlich war, wollte ich mir keine Hilfe hinter die Kamera holen. Ich wollte, dass sich das Interview für die Interviewten mehr wie ein Gespräch mit einem Freund als wie ein Verhör anfühlt. Das hat zwar vielleicht die Qualität des Bildes und des Tones etwas negativ beeinflusst, doch dafür hat es sicher den Inhalt des Interviews positiv beeinflusst.

Material:

Funkset Sennheiser EW-112P
2x LED Panel SWIT 35x35 cm S-2120C
2x Lichtstativ 3-Bein
Manfrotto Videostativ
Olympus OM-D E-M5II
Zoom H4N Audiorecorder

Interviewpartner:

Was an meinen Interviewpartnern von einigen meiner Freunde kritisiert wurde, war die enge soziodemografische Breite, weil alle Drei dunkelhäutige, etwa gleich alte Männer sind. Noch dazu nannte ich mein Projekt unglücklicherweise «Züri – die dunkle Siite». Diese Zweideutigkeit ist aber selbstverständlich rein zufällig! Den Titel hatte ich schon Wochen vor den Interviewpartnern und bezieht sich auf die Stadt, nicht auf die Interviewten. Ich habe mich dazu entschlossen den Titel beizubehalten, weil er passend ist und weil ich der Ansicht bin, dass an diesem Titel überhaupt nichts falsch ist, wenn man ihn selber nicht rassistisch interpretiert. Dass alle drei demselben soziodemografischen Profil entsprechen ist ebenfalls Zufall. Ich konnte einfach nicht wählerisch sein und musste froh sein um jeden, der sich mit seiner Geschichte vor die Kamera traute.


Post-Production:

Schnitt:

Der Schnitt war nicht ganz unaufwändig, denn die Interviews dauerten alle zwischen 35 und 55 Minuten. Ich hatte also jede Menge Material, dass ich erst einmal auf die wichtigsten 10 Minuten runterbrechen musste. Ursprünglich wollte ich nur ein Video machen, doch mir wurde sehr schnell klar, dass das den Interviews nicht gerecht werden konnte ohne die 20-Minuten-Marke deutlich zu überschreiten. Ein so langes Video schaut sich im Internet kein Mensch an, also erstellte ich ein kurzes Video nur mit den aller wichtigsten Aussagen und ergänzte dieses mit einem rund 10-minütigen Video für jedes Interview. So können sich Zuschauer, die nach dem ersten Video noch nicht genug gehört haben, noch weiter in die Interviews vertiefen.

Animation:

Während einer kreativen Krise im Schnitt erstellte ich mit Illustrator und After Effects die Animationen mit der «Skyline» von Zürich für das Intro und den Abspann. Es war zwar eher Prokrastination und absolut ungeplant, aber im Nachhinein wertet die Animation die Videos doch deutlich auf.  Am Schluss fügte ich noch die Giandalf Logo-Animation ein, die ich für konvergentes Arbeiten im 1. Semester erstellt habe.

Colorgrading:

In den Interviews habe ich die Farben etwas entsättigt, den Kontrast erhöht und die Farbtemperatur etwas abgekühlt um einen schönen, vielleicht etwas düstereren Look zu erreichen. Stärker habe ich das Intro gegradet, um den Unterschied zwischen arm und reich deutlich hervorzuheben. Das wurde vom Wetter extrem unterstützt, da es glücklicherweise genau in dem Moment umgeschlagen hat, in dem ich mich von der Bahnhofstrasse Richtung Kreis 4 aufmachte. Dem entsprechend sind die reichen Seiten hell, fröhlich, gesättigt und voller Sonnenschein, während die ärmeren Seiten düster, trist, entsättigt und verregnet daherkommen.

Ton:

Da ich ziemlich unerfahren mit Tonaufnahmen bin und alleine am Set war, ist der Ton leider nicht extrem gut. Er war allgemein eher zu leise, aber übersteuert an gewissen Stellen etwas. Ich habe aber mit etwas Basteln und pröbeln einen ganz akzeptablen «fix-it-in-the-post»-Job gemacht, sodass der Ton nun durchaus brauchbar ist.

Um etwas Atmosphäre zu schaffen, habe ich Songs von Biqi eingebaut, die er mir netterweise zur Verfügung stellte. Was würde zum Thema besser passen als Zürcher Underground Strassen Rap?


Fazit:

Alles in allem bin ich zufrieden mit diesem Projekt. Es war extrem spannend die Interviews zu führen und mich mit den Menschen und der Stadt auseinander zu setzen. Es ist aber nicht alles perfekt gelaufen. Gerade die Sache mit dem Ton ärgert mich, da werde ich mich noch verbessern müssen. Auch die Organisation hat noch viel Verbesserungspotential, genauso wie die Führung der Interviews. Schlussendlich ist Digezz aber auch dafür da, Fehler zu machen um aus diesen zu lernen. Und das, würde ich sagen, habe ich gemacht.

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