Zwangsstörung

„Habe ich den Herd wirklich ausgemacht?“ „Ist die Tür wirklich abgeschlossen?“ Es ist schwierig, Menschen zu verstehen, die auf irgendeine Art anders ticken als wir, die Norm. Obwohl, entsprechen wir überhaupt der Norm? Ist es nicht so, dass wir alle manchmal solche Gedanken hegen, vielleicht unbewusst? Oder Dinge tun, die andere nicht machen, es uns aber nicht auffällt, weil wir ja irgendwie trotzdem noch der Norm entsprechen. Doch wir drehen uns auf der Strasse um und schütteln den Kopf, wenn sich eine Person alle fünf Sekunden mit Desinfektionsmittel die Hände reinigt.

In unserer Welt sind diese Dinge verkehrt und nicht annähernd normal. Trotzdem sollte man nicht alle diese Menschen sofort als «zwanghaft» oder «krank» einstufen, denn es gibt auch harmlose Formen von Zwängen. Marotten, das sind Anflüge von zwanghaft erscheinendem, ritualisiertem Verhalten, die jeder kennt: Einige schätzen Ordnung und Sauberkeit, andere wiederum sorgen sich zu viel oder sind überängstlich und müssen mehr als andere darüber nachsinnen, ob nicht etwas Schreckliches passiert sein könnte, wo doch die ganze Welt voller Gefahren und Katastrophen ist. Viele Kinder versuchen, nicht auf die Fugen von Platten zu treten, weil sie glauben, damit Unglück verhindern zu können. Manche setzten auf glückbringende Zahlen oder sie wiederholen Reime und Beschwörungsformeln. Um Glück heraufzubeschwören, zupfen sie Blütenblätter eines Gänseblümchens ab und wiederholen dabei immer wieder die Worte: «Sie liebt mich, sie liebt mich nicht…» Manchmal geht einem eine bestimmte Melodie, ein Gedanke oder eine Redewendung den ganzen Tag nicht mehr aus dem Kopf.

Im Normalfall werden solche Gedanken sofort als «überzogen» erkannt. Manchmal sind es spielerische Gewohnheiten, zumindest ist den Betroffenen dabei klar, dass in Wirklichkeit nichts Ernsthaftes geschieht. Sie können die vorgestellte Katastrophe einfach abschütteln, oder schmunzelnd beenden. Damit ist für sie die Sache erledigt.

Doch Zwangsstörungen gehen viel tiefer als bloss ein Hang zur Sauberkeit oder dazu, sich ab und zu zu fragen, ob etwas schlimm ausgehen könnte. Zwangsstörungen sind eine extreme Steigerung relativ harmloser Gedanken und Handlungen mit entsprechenden Folgen: Sie erzeugen wachsenden Leidensdruck, sind zeitraubend, zermürbend, beschämend, seelisch beeinträchtigend und machen auch vor der körperlichen Gesundheit nicht Halt. In letzter Konsequenz können sie ein Leben vor allem zwischenmenschlich und beruflich ruinieren.

Magische Entwicklungsphase
Zwänge beginnen meist nicht erst in der Pubertät, wo viele andere Krankheiten ihren Ursprung haben, sondern bereits bei Kindern.
Bei Kleinkindern treten vor allem verschiedene Formen von Entwicklungsritualen auf – da gibt es Kinder, die nur schlafen, wenn sie vorher eine warme Milch bekommen haben, andere wiederum essen nur mit einem bestimmten Löffel oder möchten nur ihren Lieblings-«Nuggi» benutzen. Diese Verhaltensweisen sowie abergläubisches Verhalten (das oben genannte Vermeiden von Tritten auf Pflastersteinfugen beispielsweise) werden jedoch nicht als krankhaft angesehen, sie dienen vor allem dem Vermitteln von Sicherheit und helfen den Kindern, ihre Ängste besser zu bewältigen. Sie sind Teil einer normalen Entwicklung und schleichen sich von selbst wieder aus. Ein grosser Unterschied zu krankhaften Zwängen besteht darin, dass die in der sogenannten «magischen Entwicklungsphase» gezeigten, abergläubischen Vorstellungen und ritualisierten Verhaltensweisen nicht von unangenehmen Gefühlen begleitet sind, sondern im Gegenteil den Kindern häufig großen Spass bereiten.

Mit der Zeit nehmen magisches Denken und Kontrollverhalten von selbst ab. Lediglich bei ca. 2% aller Kinder bleiben diese bestehen und nehmen die Form von echten Zwangsgedanken und Zwangshandlungen an. Besonders häufig brechen krankhafte Zwänge bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 10-13 Jahren aus. Knaben sind im Kindesalter stärker betroffen als Mädchen. Sie entwickeln Zwangsstörungen in der Vorpubertät, während sie bei den Mädchen meist erst in der Pubertät zum Vorschein kommen.

Man unterscheidet zwischen zwei Formen von Zwängen
In der aktuell gültigen Ausgabe der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10), dem weltweit anerkannten Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen, wird die Hauptsymptomatik der Zwangsstörungen unterteilt in Zwangsgedanken und Zwangshandlungen, wobei sich bei mehr als 90% der betroffenen Patienten beide Formen zeigen.

Zwangsgedanken sind Gedanken oder bildhafte Vorstellungen, die ins Bewusstsein einschiessen und nur schwer ignoriert oder abgeschaltet werden können, selbst dann nicht, wenn sie von der betroffenen Person als sinnlos erlebt werden. Es handelt sich dabei um immer wiederkehrende und sich wiederholende Gedankenketten. Diese können Probleme des täglichen Lebens beinhalten (z.B. Angst vor Ansteckung, Verschmutzung, Krankheit; Angst vor Verletzungen anderer oder vor Selbstverletzung, es kommen auch sexuelle, religiöse oder aggressive Inhalte vor), lassen sich jedoch nie zu Ende denken. Zwangsgedanken werden von der betroffenen Person immer als quälend erlebt.

Zwangshandlungen sind Handlungen, die von den Betroffenen als übertrieben und sinnlos eingeschätzt werden. Trotzdem können diese Menschen es nicht unterlassen, bestimmte Dinge immer und immer wieder zu tun. Diese müssen immer wieder ausgeführt werden, weil die Betroffenen Katastrophen oder Gefahr zu verhindern versuchen. Das könnte beispielsweise das ständige Kontrollieren der Herdplatte oder der Tür sein oder der Drang sich zu waschen, den gleichen Text noch einmal zu lesen, Dinge zu sammeln, oder stetig Ordnung zu wahren. Wenn die Handlungen nicht ausgeführt werden können, kommt es für den Betroffenen zu unangenehmen Gefühlen wie Ekel (vor dem Schmutz), Ängste (vor Gefahren). Das Ausführen hingegen führt zu einer Verringerung dieser Gefühle, es tritt vorübergehend Erleichterung ein. Das Verhalten wird somit negativ verstärkt (negative Verstärkung bedeutet, dass ein unangenehmer Reiz durch ein Verhalten «entfernt» oder «beendet» wird und dadurch das Verhalten häufiger ausgeführt wird). Der Patient befindet sich in einem Teufelskreis und die Zwänge werden stärker und stärker…

Das Thema «Zwangsstörungen» hat mein Interesse geweckt, da ich eine Betroffene persönlich kenne. Es ist ein sehr komplexes Thema, vielschichtig zu ergründen und meine Recherchen haben ergeben, dass es oft nicht erkannt- und viel zu spät behandelt wird. Das Leid für die Betroffenen ist enorm. Deshalb möchte ich mit einem Videoclip Menschen darauf aufmerksam machen, sie berühren und ihnen ein Stück weit aufzeigen, wie es in einem Mitmenschen, der an Zwangsstörungen leidet, etwa aussehen könnte. Dieser Film wurde zusammen mit meiner direkt betroffenen Freundin erarbeitet und aufgenommen.

(lhu)

Kritik
von Lea Schnegg

Idee
Ich habe mich bereits im Vorfeld sehr mit dem Thema Zwangsstörungen befasst, und hatte die Idee einen Kurzfilm zu produzieren, deren Inhalt eine fiktive Problemstellung, einer an Zwangsstörungen leidenden Person beschreibt. Es sollte eine Art Veranschaulichung werden, wo man erfährt wie sich eine solche Person fühlt, was sie macht und was in ihr vorgeht.

Ich entschied mich für eine Situation im HB mit einer Person, die mit vielen Menschen um sich herum Mühe hat, und die sich aufgrund dieses Stresses den Zwang verspürt (Zwangshandlung), sich die Hände zu waschen, um sich davon zu befreien.

Meine direkt betroffene Kollegin hat sich dazu bereiterklärt diese Person zu spielen und die Off-Voice einzusprechen.

Filmen und Postproduction
Im HB zu filmen ist eigentlich eine ziemliche Grauzone. Es ist nicht ganz klar definiert, ob man Aufnahmen wie ich sie gemacht habe, tätigen darf. Zum Glück aber, hat sich niemand daran gestört. Die Leute sind vor der Kamera durchgelaufen, als würde sie gar nicht da sein, anstelle einen Bogen drum rum zu machen, ganz zu meinen Freuden. Denn so wirkte das Ganze viel authentischer. Meiner Schauspielerin fiel es teilweise sehr schwer, mitten im Bahnhof, vor allen Menschen gewisse Dinge zu spielen, wie zum Beispiel das nervöse Händekneten. Mehrere Szenen mussten wir mehrmals drehen, zum einen um an mehr Bildmaterial zu kommen und zum anderen, weil es teilweise nicht so war wie ich es mir vorgestellt hatte. Das war für meine Schauspielerin wie auch für mich sehr anstrengend. Wir hatten das Glück, dass sich zwei Kollegen bereiterklärt haben, sich von ihr anrempeln zu lassen.

Meine Kamera konnte ich von einem Kollegen ausleihen, da zu dem Zeitpunkt, als ich meine Aufnahmen machen wollte, keine Kamera mehr zur Verfügung stand.

Die Sonne schien sehr stark an diesem Tag. Das erschwerte die richtigen Einstellungen auf der Kamera. Zudem kam noch, dass auf dem Display der Kamera keine Anzeige der Schärfe existierte. Ich musste von Auge und mit dem hellen Sonnenlicht, das einem direkt in den Display schien abwägen, wo die Schärfe im Bild lag.

Als ich meine Aufnahmen zusammen hatte, schaute ich sie mir auf dem Laptop an. Nicht wie zuvor auf dem Kameradisplay angezeigt, waren die Aufnahmen jetzt alle ziemlich gelb und teilweise ein bisschen unscharf. Das war sehr ernüchternd. Ich überlegte mir, ein weiteres Mal alles mit einer anderen Kamera zu filmen. Denn das war nicht das erste Mal, wo mir diese Kamera gelbliche Bilder lieferte. Aber ich entschied mich um, da man mithilfe des Weiss Abgleichs in der Postproduction ein gutes Bild erhalten kann.

Die Geräusche und die Stimme im Kurzvideo, sind bis auf die Bahnhofsgeräusche alle im Nachhinein aufgenommen worden. Es war schwierig, exakt und zeitgleich die Geräusche zu imitieren, welche auf den Bildern des Videos zu sehen sind. Es brauchte einige Anläufe, bis es mit dem Video überein stimmte, und dennoch musste ich dann in der Postproduction improvisieren, und gewisse Geräusche mehrmals verwenden oder so zusammenschneiden, damit es genau das Geräusch ergab, dass das die Aufnahme abverlangte.
Ich habe zahlreiche Aufnahmen gemacht. Habe es in verschiedenen Räumen versucht, aber nie hatte ich eine Aufnahme ohne störendes Rauschen. Insgesamt habe ich meine Schauspielerin 8 Mal an unterschiedlichen Orten getroffen, um die verschiedenen Geräusche und die Off-Stimme aufzunehmen. Jedes Mal habe ich die Aufnahmen im Video eingebaut, nur um dann festzustellen, dass irgendetwas zu sehr rauschte, die Stimme zu dünn, oder nicht kräftig genug war. Schlussendlich benutzte ich die ersten Aufnahmen.

Kritik
Mit meinem Endprodukt bin ich zufrieden, trotzdem hätte ich mehr von mir selbst erwartet. Ich hätte gerne mehr Wert auf die Geräusche gelegt, um den ganzen Spannungsbogen noch fesslender zu gestalten. Das nächste Mal, würde ich die Geräusche in einem Tonstudio aufnehmen, wo es kein Rauschen oder andere Störgeräusche gibt. Die Kamera, welche ich für den Film verwendet hatte, würde ich nicht mehr gebrauchen, da sie viele Schwierigkeiten borgte, die man hätte verhindern können. Zb. den Gelbstich oder die Unschärfe.

Ich habe viel über das Filmen, den Ton und über das Schneiden gelernt. Habe mir viel Wissen zum Thema Zwangsstörung angeeignet, und sehe es als eine gute Erfahrung an, mein erstes eigenes Projekt geschafft zu haben.

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